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Europa und Russland: Im Augenblick des Gipfels

Während des EU-Russland-Treffens hat sich gezeigt, dass die Beziehungen angespannt sind. Wie ernst ist die Lage wirklich?

W

arum ist das europäisch-russische Verhältnis so schwierig geworden?

Mit leeren Händen fuhren Angela Merkel und José Manuel Barroso nach Hause – nicht ein einziges Abkommen wurde beim Gipfel in Samara unterzeichnet. Die Beziehungen zwischen der EU und Russland sind an einem Tiefpunkt angelangt. Allerdings haben sich auch beide Partner in den vergangenen Jahren verändert: Nach einer Phase der ökonomischen Unsicherheit und des politischen Umbruchs ist Russland unter Präsident Wladimir Putin deutlich selbstbewusster geworden. „Unsere Möglichkeiten sind gewachsen“, sagte Putin in Samara. „Sie sind wirklich groß geworden.“ Als Gas- und Ölexporteur, auf den nicht nur Europa angewiesen ist, kann sich Russland zumindest als Energiesupermacht fühlen. Und genau deshalb ist dieser Bereich zu einem Streitpunkt geworden: Die Europäer werfen Russland vor, Energie als politische Waffe zu benutzen. Zugleich versucht der Kreml, in der Weltpolitik wieder eine größere Rolle zu spielen – vom Nahen Osten über den Iran bis zum Kosovo prallen die Positionen Russlands und des Westens aufeinander. Doch auch die EU hat sich durch ihre Erweiterung gewandelt – daran müssen sich sowohl die alten EU-Mitglieder als auch Russland erst gewöhnen. Mit Polen und den baltischen Staaten sitzen nun Länder am Entscheidungstisch, die massive Probleme mit Moskau haben: Polen darf kein Fleisch nach Russland exportieren, Litauen erhält kein Öl mehr aus Russland, und auch der Streit zwischen Estland und Russland über die Verlegung eines Kriegerdenkmals ist längst nicht beigelegt. Russland wirft Berlin, Paris und Rom vor, sich von den neuen Mitgliedern die europäische Agenda diktieren zu lassen. Doch Moskau hat nach Ansicht von Beobachtern in diesem Fall die Geschlossenheit der EU unterschätzt: In letzter Minute ist es der EU noch gelungen, sich nicht auseinanderdividieren zu lassen.

Wie beeinflusst Russlands Umgang mit der Opposition die Beziehungen zur EU?

Am Freitagmorgen nahmen Sicherheitskräfte auf dem Moskauer Flughafen Schachweltmeister Garri Kasparow, andere Oppositionsführer sowie mehrere Journalisten gleich nach dem Einchecken für den Flug nach Samara fest. In Samara wollten sie an einem Anti-Putin-Marsch teilnehmen. Die Begründung für die Festnahme: Die Tickets seien gefälscht oder falsch ausgestellt. Angela Merkel hatte ohnehin vor, unbequeme Themen wie Menschenrechte und die Versammlungsfreiheit beim Gipfel mit Putin anzusprechen. Als die Kanzlerin aber in der Abschlusspressekonferenz das Vorgehen gegen die Demonstranten kritisierte, kam es zum offenen Wortgefecht zwischen Merkel und Putin. Auf diplomatischer Ebene war das fast schon ein Eklat – der verdeutlicht hat, wie weit beide Seiten beim Thema Demokratie auseinanderliegen. Die Demonstration in Samara war überhaupt erst auf Druck der EU genehmigt worden: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte Putin am Dienstag bei seinem Krisenbesuch in Moskau die negativen Folgen eines Verbots für das Ansehen Russlands klargemacht.

Wie wäre das Verhältnis neu zu gestalten?

Viel Spielraum hat die EU nicht: „Es gibt keine Alternativen zum Dialog“, heißt es im Umfeld der Kanzlerin. „Wir sind sowohl im Bereich der Wirtschaft als auch in internationalen Fragen voneinander abhängig.“ Zunächst wird die EU ihre Politik der kleinen Schritte fortsetzen müssen. Eine rasche Verbesserung des Klimas ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Wann die Verhandlungen über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen beginnen, ist noch völlig unklar. Die deutsche Ratspräsidentschaft wird hier voraussichtlich nicht mehr zum Zuge kommen. Und es gilt als wenig wahrscheinlich, dass Portugal, das im Juli den Ratsvorsitz übernimmt, Russland so viel Bedeutung beimisst, wie Deutschland das getan hat. Auch die innenpolitischen Voraussetzungen in Russland sind nicht gerade günstig: Der Wahlkampf belaste die Atmosphäre noch zusätzlich, heißt es in EU-Kreisen. Mit einer Entspannung ist daher vor der Präsidentenwahl im März kommenden Jahres kaum zu rechnen.

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