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Politik: Europäer entdecken ihre moslemischen Nachbarn

Im vergangenen Jahr war er schon totgesagt. Jetzt wollen die Außenminister der Europäischen Union den so genannten Barcelona-Prozess reanimieren - die Partnerschaft der EU mit zwölf südlichen Mittelmeerländern.

Im vergangenen Jahr war er schon totgesagt. Jetzt wollen die Außenminister der Europäischen Union den so genannten Barcelona-Prozess reanimieren - die Partnerschaft der EU mit zwölf südlichen Mittelmeerländern. Zu dem Treffen der Teilnehmer an diesem Montag in Brüssel wird auch Palästinenserpräsident Jassir Arafat erwartet. Nach dem 11. September scheint eine engere Zusammenarbeit mit den mehrheitlich moslemischen Mittelmeeranrainern dringlicher denn je. Und die 1995 in der katalanischen Hauptstadt gesteckten Ziele lesen sich wie ein Masterplan für die Entwicklung der armen Nachbarregion. Eine Charta für Frieden und Stabilität soll da erarbeitet werden, bis 2010 eine riesige Freihandelszone entstehen. Sogar der Kampf gegen den Terror stand schon damals im Programm.

Den südlichen Mittelmeerländern (Tunesien, Marokko, Algerien, Ägypten, Jordanien, Libanon, Israel, Syrien, Türkei, Zypern, Palästina und Malta) wurden weit reichende Wirtschaftshilfen in Aussicht gestellt. Doch zuletzt hatte sich Ernüchterung breit gemacht. Bürokratische Hürden auf beiden Seiten blockierten viele der geplanten Projekte, der ungelöste Nahostkonflikt sorgte immer wieder für politischen Zündstoff. Selbst der einstmals drängende Bewerber für die Aufnahme in den Barcelona-Kreis, der libysche Präsident Gaddafi, wandte sich ab. Ende vergangenen Jahres urteilte er im Tagesspiegel-Interview: "Der Prozess hat keine Basis mehr, er ist ein Instrument der Unterdrückung." In Berlin und Brüssel sieht man aber keine Alternative zur Mittelmeerpartnerschaft. "Sie ist das einzige Forum, in dem Staaten wie Syrien, Libanon und Israel an einem Tisch sitzen", heißt es aus dem deutschen Außenministerium und bei EU-Außenkommissar Chris Patten.

Tatsächlich liegen die Verhandlungen über den Friedens- und Stabilitätspakt seit dem Beginn der neuen palästinensischen Intifada praktisch auf Eis. Bei der Wirtschaftshilfe sah es bis zum vergangenen Jahr nicht sehr viel besser aus: Von den rund 3,4 Milliarden Euro für Wirtschaftsförderung aus dem so genannten Meda-I-Programm konnte nicht einmal ein Drittel ausgegeben werden. "Inzwischen haben wir die Vergabekriterien aber deutlich vereinfacht und den Mittelabfluss um 40 Prozent steigern können", sagte der Sprecher des zuständigen EU-Kommissars für Außenbeziehungen, Chris Patten, dem Tagesspiegel. Für die Zeit von 2000 bis 2006 stehen knapp 5,4 Millarden Euro zur Verfügung. Die Partnerländer der EU sehen den Schlüssel für eine engere Kooperation aber weiterhin im Nahen Osten. "Der Konflikt überschattet den gesamten Prozess. Nur wenn sich hier etwas bewegt, können wir enger zusammenrücken", sagte der ägyptische Botschaftsrat in Berlin, Ahmed Reda Sheta dem Tagesspiegel. Die arabischen Länder in der Region wünschten sich ein stärkeres Engagement der Europäer. "Die Chancen dafür sind gerade jetzt sehr gut, da die USA dies ebenfalls begrüßen", sagte Sheta.

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