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Europäische Union: Frühjahrsgipfel ohne Durchbruch

Die Europäische Union bleibt ihren 450 Millionen Bürgern einschneidende Reformen der verkrusteten Märkte für Energie- und Dienstleistungen schuldig.

Brüssel - Die EU-Staats- und Regierungschefs verständigten sich bei ihrem Frühjahrsgipfel am Freitag in Brüssel nur darauf, wie mit der umstrittenen Dienstleistungsrichtlinie weiter verfahren wird. Zum Abschluss der zweitägigen Beratungen stimmte die Gipfelrunde zwar dem Einstieg in eine gemeinsame Energiepolitik zu. Konkrete Maßnahmen stehen noch aus. Einmütig verschärfte die EU ihre Gangart gegen die autoritäre Führung Weißrusslands.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wertete die Ergebnisse der zweitägigen Beratungen als Erfolg. Nachdem sie bei ihrem ersten Auftritt in Brüssel im Dezember beim Finanz-Gipfel vermittelt hatte, wies ihr der EU-Ratspräsident, Österreichs Kanzler Wolfgang Schüssel, in der Debatte um die Energiepolitik eine Schlüsselrolle zu. Merkel machte deutlich, dass eine engere Abstimmung in diesem Bereich nötig sei. Mehr Kompetenz der EU-Kommission erteilte sie - wie viele ihrer Kollegen - eine Absage. «Es geht um Koordinierung statt um Zentralisierung.»

Harsche Tonart

Die teils harsche Tonart angesichts der Übernahmeschlachten auf dem europäischen Energiemarkt, in denen Spanien und Frankreich sich auf die Seite ihrer nationalen Unternehmen schlagen, nahm Merkel eher gelassen. Das Prinzip, dass Übernahmen am Ende nützlich sein könnten, sei «im Grundsatz von allen geteilt worden».

Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac bestritt, dass es zwischen Merkel und ihm Streit um eine protektionistische französische Industriepolitik gebe. «Der deutsch-französische Zusammenhalt ist absolut perfekt», sagte er und verteidigte das Bemühen seiner Regierung, die feindliche Übernahme des heimischen Energieanbieters Suez durch die italienische ENEL zu verhindern. Dies sei beim Gipfel auch «überhaupt kein Thema gewesen».

Der britische Premier Tony Blair warnte vor einem Abschotten nationaler Märkte gegen Firmenübernahmen. «Der Streit wird von denen gewonnen werden, die mehr Liberalisierung wollen», sagte er. Mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten diene der Wirtschaft und den Verbrauchern.

Im Streit um die EU-Dienstleistungsrichtlinie sprach Merkel von einem Durchbruch. Die Staats- und Regierungschefs forderten die EU-Kommmission auf, einen Vorschlag entlang der Kompromisslinie des Europa-Parlaments vorzulegen. Dieser schwächt die angestrebte Dienstleistungsfreiheit stark ab. «Ich glaube, dass wir hier einen Durchbruch erzielt haben.» Kommissionspräsident José Manuel Barroso will die überarbeitete Richtlinie am 4. April präsentieren. Blair zeigte sich nicht zufrieden. «Wir wären bei der Dienstleistung-Richtlinie gern weiter gegangen», sagte er. «Aber es ist ein spürbarer Schritt in die richtige Richtung.»

Ihr Versprechen, für mehr Wachstum und Jobs zu sorgen, betteten die Staats- und Regierungschefs der EU in Vorhaben der Unternehmens-, Forschungs- und Beschäftigungspolitik ein. Ziel ist es, durch stärkere Investitionen in Forschung und Bildung zehn Millionen zusätzliche Arbeitsplätze bis 2010 zu schaffen. Bis Ende 2007 rechnet die EU mit einer Absenkung der gemeinsamen Zahl der Arbeitslosen um sechs Millionen und einer um ein Prozent niedrigeren Arbeitslosenquote. Die Ausgaben für Forschung und Bildung sollen sich auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2010 erhöhen. Die meisten EU-Staaten liegen derzeit weit unter dem Ziel, Deutschland bei 2,49 Prozent.

Jährlich zwei Millionen neue Arbeitsplätze

Schüssel setzte das Ziel durch, bis 2010 jährlich zwei Millionen neue Arbeitsplätze in den 25 Mitgliedsländern zu schaffen. Vorrangig sollen die Bedingungen für Problemgruppen - Jugendliche, ältere Menschen oder legale Einwanderer - verbessert werden. Rund 23 Millionen Klein- und Mittelbetriebe sollen künftig von Bürokratie entlastet und besser gefördert werden. Die Gipfelrunde einigte sich, dass die Gründung neuer Betriebe von Ende 2007 an innerhalb einer Woche möglich sein soll.

Auf die jüngsten Übergriffen der Staatsmacht in Weißrussland gegen die Opposition reagierten die EU mit einer scharfen Erklärung und schloss Strafmaßnahmen gegen die Führung um Präsident Alexander Lukaschenko nicht aus. Die Staats- und Regierungschefs stärkten der Opposition in Weißrussland demonstrativ den Rücken. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier schlug vor, den Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch zum nächsten Treffen der EU-Außenminister am 10. April einzuladen. (tso/dpa)

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