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Die EU will kulturell nach außen wirken.

© dpa

Europäische Union: Kultur als neuer Exportschlager

Die Europäische Union will den kulturellen Austausch mit der Welt verbessern. Politik sei nicht mehr nur Sache von Diplomaten, sondern auch der Kunst, lautet die Devise in Brüssel.

Ein eigenes europäisches Radioprogramm? Ein EU-Übersetzungsservice für arabische Literatur oder europäische Kreativzentren in Brasilien und China? Die EU-Kommission will den Kulturaustausch Europas mit der Welt verbessern und hat deswegen eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die die Grundlage für eine einheitliche Strategie innerhalb der EU bilden soll. Nun gibt es erste Handlungsempfehlungen. Der Bericht, der dem Tagesspiegel in Auszügen vorliegt und am Montag auf einer zweitägigen Konferenz in Brüssel vorgestellt werden soll, offenbart: Viele Möglichkeiten der europäischen Kulturpolitik sind noch ungenutzt – dabei geht es auch um handfeste finanzielle Interessen.

Social Media ändern Wahrnehmungen

„Internationale Beziehungen sind nicht mehr nur im Einflussbereich von Diplomaten“, meint Rod Fisher. Fisher ist Direktor der Beratungsagentur „International Intelligence on Culture“ und lehrt europäische Kulturpolitik an der Universität London. Neue Kommunikationsmodelle wie Social Media oder die Kreativindustrie würden heute die Wahrnehmung von Staaten und Völkern mitbestimmen. „Kulturelle Diplomatie“ werde deswegen immer wichtiger, wenn man ausländische Investoren und Touristen anlocken wolle. Zumal gerade die Mitgliedsstaaten der EU ein großes Interesse daran hätten, in aufstrebenden Volkswirtschaften Fuß zu fassen.

Genau an dieser Stelle hat die EU dem Bericht zufolge noch Verbesserungsbedarf. „Die Untersuchung hat festgestellt, dass Europas privilegierte internationale Positionierung zunehmend von anderen Ländern herausgefordert wird“, heißt es in dem Papier. Das Konsortium aus verschiedenen Kulturinstituten wie etwa dem belgischen Bozar (Centre for fine Arts in Brussels), dem Institut français und dem British Council hat unter Federführung des deutschen Goethe-Instituts deswegen nationale Kulturpolitik evaluiert und konkrete Verbesserungsvorschläge vorgelegt. Insgesamt wurden 54 Länder untersucht, darunter die 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, 16 Nachbarländer Europas wie Ägypten, die Ukraine und Israel sowie strategisch wichtige Partner wie Brasilien, Russland und die USA.

Austausch auf Augenhöhe

„Drittstaaten haben ein Interesse an einem Kulturaustausch auf Augenhöhe, nicht an einem Export europäischer Kultur“, fasst Susanne Höhn, Chefin des Goethe-Instituts Brüssel und Leiterin der Region Südwesteuropa die Ergebnisse der Untersuchung zusammen. Eine Erfahrung, die auch Yudhishthir Raj Isar gemacht hat. Der Inder ist Professor für Kulturpolitik an der American University of Paris und wird die Ergebnisse der Untersuchung am Montag präsentieren. „Kulturelle Akteure erwarten von ihrem europäischen Gegenüber einen Austausch von Wissen und Erfahrungen“, sagt er. Zwar gebe es zwischen Europa und Staaten weltweit schon Verbindungen. Sie seien aber begrenzt und könnten ihren Effekt verstärken, wenn es eine gemeinsame europäische Linie gäbe.

„Es sollte einen weltweiten kulturellen europäischen Rundfunk als Kanal für eine neue digitale europäische Diplomatie geben“, sagt etwa Damien Helly, Referent am European Centre for Development Policy Management, der das Konsortium als Experte berät. Es ist nur einer von vielen Vorschlägen für Pilotprojekte. Um „Handel, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit“ zu fördern, schlägt der Bericht auch die Gründung von Kreativzentren in Brasilien oder China vor, die Künstlern und Firmen beim Zugang zu den dortigen Märkten assistieren sollen. Auch ein gemeinsames Übersetzungsprojekt für zeitgenössische Literatur in Zusammenarbeit mit arabischsprachigen Ländern ist im Gespräch.

Gesamteuropäische Strategie

Auf europäischer Ebene kommen diese Ideen gut an. Elmar Brok, CDU-Abgeordneter im Europaparlament und Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, begrüßt den Versuch, eine gesamteuropäische Strategie zu entwickeln. „Das Verständnis für Kultur ist außerordentlich wichtig bei internationalen Beziehungen“, sagt Brok auch mit Blick auf die aktuelle Krise in der Ukraine und auf der Krim. Zugleich warnte er davor, Kulturpolitik für Wirtschaftsinteressen zu instrumentalisieren. „Das darf höchstens ein Nebeneffekt sein.“

Ohnehin hat die EU ein Zuständigkeitsproblem. Kulturpolitik ist Sache der Nationalstaaten, in Deutschland sogar der Länder. Die Empfehlungen des Konsortiums berücksichtigen dies. Ein „sinnvoller Zeitplan“ müsse die verschiedenen Geschwindigkeiten der Mitgliedsländer berücksichtigen. Auf der Konferenz nun sollen diese Ideen nochmals diskutiert werden. Auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäischen Kulturpolitik ist es ein Schritt. Der erste.

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