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Angela Merkel und Barack Obama in Elmau am 8 Juni 2015.

© AFP

Europäischen Außenpolitik: Trittbrettfahrer der Amerikaner

Angeber und Leichtgewichte: Barack Obama rechnet zu Recht mit der unreifen Außenpolitik der Europäer ab. Ein Kommentar.

An jenem Freitag im August 2013 verließ Barack Obama das Oval Office und wanderte mit seinem Chief of Staff für eine Stunde lang durch den Garten des Weißen Hauses. Als er zurückkam, hatte er sich entschieden: Die USA würden Syrien nicht angreifen. Es war eine dramatische Entscheidung, weil sie im Widerspruch zu Obamas Äußerungen nach dem Einsatz von Giftgas durch das Assad-Regime stand. Die rote Linie, die der amerikanische Präsident gezogen hatte, sie galt nun doch nichts.

Barack Obama rechtfertigt seinen Rückzieher, der selbst innerhalb der Regierung als außenpolitische Bankrotterklärung gesehen wurde, nun gegenüber Jeffrey Goldberg von der Zeitschrift „The Atlantic“. „Letztlich war es“, sagt Obama, „die richtige Entscheidung.“ Sie habe dazu geführt, dass die Giftgasvorräte in Syrien unschädlich gemacht wurden, vor allem aber habe sie verhindert, dass die USA in einen weiteren Krieg hineingezogen wurden, für den er im eigenen Land keine Unterstützung gehabt hätte.

„Trittbrettfahrer ärgern mich“

In seinem Porträt des Außenpolitikers Obama, Ergebnis mehrerer Interviews, beschreibt Goldberg einen Präsidenten, der tief ernüchtert ist. Oder, wie Obama selbst es sieht, einer, der sich der Grenzen seiner Macht bewusst ist. „Ich will einen Präsidenten, der das Gespür hat, dass man nicht alles lösen kann.“ Vor Jahren hatte Obama einmal salopp formuliert, wie aus seiner Sicht ein amerikanischer Präsident nach George W. Bush international handeln sollte: „Don’t do stupid shit.“ Und in der Beschreibung von Goldberg wirkt Obama überzeugt davon, diese außenpolitische Maßgabe erfüllt zu haben.

Interessant ist das „Atlantic“- Stück aber vor allem deshalb, weil Obama in erstaunlich undiplomatischer Weise seine Ernüchterung über die Europäer zum Ausdruck bringt. Es ist in Wahrheit eine Abrechnung. „Trittbrettfahrer ärgern mich“, sagt Obama und meint damit Länder, die gern militärische Lösungen fordern, aber sich einen schlanken Fuß machen, wenn es um die Umsetzung geht. Angeblich hatte er den britischen Premier David Cameron persönlich gewarnt, dass die besondere Beziehung zwischen beiden Ländern gefährdet sei, sollten die Briten nicht endlich mehr Geld für Verteidigung ausgeben. Und auch bei seinem Syrien-Rückzug habe Camerons Scheitern, sich im Unterhaus eine Mehrheit für Militärschläge zu sichern, eine Rolle gespielt.

Doch nichts hat offenbar zu Obamas Ernüchterung über Europa so beigetragen wie der Umgang mit der Libyen-Krise. Als Gaddafi drohte, die Bewohner von Bengasi umzubringen, hätten die Europäer und eine Reihe von Golfstaaten ein Einschreiten gefordert. „Aber was zur Gewohnheit in den vergangenen Jahrzehnten geworden war unter solchen Umständen, sind Leute, die uns zum Handeln drängen und dann eine mangelnde Bereitschaft an den Tag legen, sich zu beteiligen.“

Die Deutschen kommen in dem „Atlantic“-Stück nur einmal vor

Wenn, wie Obama sagt, Teil seiner Mission als Präsident gewesen ist, andere Länder zu ermuntern, für sich selbst zu handeln, statt auf die Führung der USA zu warten, dann ist er gescheitert. Aus seiner Sicht war Libyen, aus geografischen Gründen, eher ein europäisches Problem. Doch auch hier lief nichts ohne die Amerikaner: Nicolas Sarkozy, sagt Obama in entlarvender Deutlichkeit, durfte sich mit Angriffen brüsten, obwohl die Amerikaner die gesamte militärische Infrastruktur gestellt hätten. Und Cameron verlor bald das Interesse an Libyen, „er wurde von einer Reihe von Dingen abgelenkt“. Der Franzose ein Angeber, der Brite ein Leichtgewicht – das waren die außenpolitischen Partner der USA im Kampf gegen Gaddafi.

Diese politische Trittbrettfahrerei sei tief verankert, sagt Obama: „Tatsache ist, dass auf keinem Gipfel, an dem ich als Präsident teilgenommen habe, es nicht wir waren, die die Agenda gesetzt haben, nicht wir für die entscheidenden Ergebnisse verantwortlich waren.“

Die Deutschen kommen in dem „Atlantic“-Stück nur einmal vor: Auch Angela Merkel, sagt Obama, habe sich gegenüber einer Intervention in Syrien „unenthusiastisch“ gezeigt. Merkel, schreibt Goldberg, sei eine der wenigen ausländischen Regierungschefs, die Obama respektiere. So kommt sie vielleicht besser weg als Cameron und Sarkozy, aber eine Hilfe ist sie genauso wenig. Der Unterschied – und auch das ist kein Ruhmesblatt – liegt darin, dass der amerikanische Präsident von den Deutschen außenpolitisch offenbar gar nichts erwartet.

Obamas Interpretation seiner Außenpolitik ist sicher nicht frei von Selbstgerechtigkeit. Gleichzeitig ist sein Urteil über die Außenpolitik der Europäer eindeutig: Sie sind unreif, weil sie nicht bereit sind, selbst zu tun, was sie für richtig halten. Und damit trifft auch sie eine große Verantwortung für die „shit show“ (Obama) in Libyen und Syrien.

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