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David Cameron

© dpa

Europagegner gewinnen Nachwahl in England: Cameron, der Hase

Die britische Anti-Europa-Partei Ukip hat eine Nachwahl zum Parlament gewonnen. Premier Cameron hat ihre Themen nachgebetet. Das war falsch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Es ist schon erstaunlich, wie die United Kingdom Independence Party des schillernden Mr. Farage die führenden Parteien in England vor sich hertreibt. Nun hat die Ukip in Rochester bei der Nachwahl am Donnerstag ein zweites Parlamentsmandat gewonnen. Und zwar mit einem deutlichen Vorsprung. Die Ukip ist auf der Insel ungefähr das, was die AfD in Deutschland ist: eine Kraft, die das hehre Nationale gegen einen vorgeblichen Sumpf der Brüsseler Politik ausspielt. Hemdsärmeliger Populismus paart sich dabei mit sachlicher Kritik, die auch bei Wählern wirkt, denen man mit dumpfen Parolen sonst nicht kommen kann, Und  da Nachwahlen in Großbritannien gern für Denkzettelaktionen genutzt werden, dürften ausgeprägt national eingestellte Anhänger der Konservativen, aber auch der Labour Party, das Kreuzchen bei dem Ukip-Kandidaten Mark Reckless gemacht haben, um mal Luft abzulassen. 42 Prozent holte Reckless, der seit 2010 für die Konservativen im Parlament saß, aber kürzlich austrat und so die Nachwahl notwendig machte. Die Tory-Gegenkandidatin holte 34 Prozent, Labour gewann 17 Prozent der Stimmen. Die Liberaldemokraten, Koalitionspartner der Konservativen in Westminster, wurden mit 0,9 Prozent praktisch zerrieben.

 2015 kommt die große Wahl

Ob Premierminister Cameron nun schon die Niederlage bei der allgemeinen Parlamentswahl im kommenden Jahr vor Augen haben muss, ist noch nicht gewiss. Rochester war schon bei der Europawahl ein Wahlkreis, in dem die Ukip besonders gut abschnitt. Dass sie den Tories reihenweise Mandate abnehmen kann, ist vorerst nicht zu erwarten. Dafür war der Einbruch der Konservativen in Rochester nicht stark genug. Und viele Dauerunzufriedene, die jetzt für die Ukip votierten, könnten bei der Parlamentswahl wieder in ihr Grummeleckchen zurückkehren. Auch die Wahlbeteiligung war mit 50 Prozent sehr niedrig.

 Wer diktiert die Themen?

Letztlich kommt es darauf an, wie Cameron in  den nächsten Monaten auftritt. Er glaubt, dass er mit harschen Tönen gegen Brüssel (und damit aber auch gegen die EU-Partner) punkten kann. In Wirklichkeit dürfte er damit eher die Ukip stärken. Das zeigt sich schon jetzt, denn das Aufregerthema der Zuwanderung (das jeder Populist spielt) hat in der Debatte auf der Insel eigentlich erst Gewicht bekommen, weil Cameron in der Auseinandersetzung mit der Ukip nachzog und die Freizügigkeit in der EU in Frage stellte. Jene Tory-Anhänger, die verstehen, dass in einem großen Binnenmarkt eben auch der Zu- und Abwanderung von Arbeitskräften wenig Grenzen gesetzt sind, dürfte das eher irritiert haben. Immerhin sind die britischen Konservativen eine ausgesprochen marktwirtschaftlich orientierte Partei. Dass Cameron dann im Streit um Zahlungen nach Brüssel noch Margaret Thatchers alte Parole belebte („I want my money back“), dürfte seine Reputation auch nicht gestärkt haben. Er hechelt auch damit nur Farage und der Ukip hinterher wie der Hase im Rennen mit den Igeln. Wenn er seine Tories noch einmal zu einem Wahlsieg führen will, dann muss der britische Premier deutlich souveräner auftreten als bisher. Und Souveränität zeigt sich unter anderem darin, dass man selber die Themen setzt und sie sich nicht von anderen setzen lässt.

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