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Politik: Europapolitik: Immer nahe beim Regierungschef

Was der Kanzler gerne möchte, haben die Länder schon: ein Europaressort. Die Zuschnitte sind zwar unterschiedlich.

Was der Kanzler gerne möchte, haben die Länder schon: ein Europaressort. Die Zuschnitte sind zwar unterschiedlich. In nahezu allen Fällen aber gilt: Der Posten ist sehr nahe beim Regierungschef angesiedelt. In Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen sind eigene Minister mit der Aufgabe betraut; sie sind auch für Bundesratsangelegenheiten zuständig. In Baden-Württemberg, Hessen und im Saarland übernimmt der Chef der Staatskanzlei die Rolle eines Europaministers. Kleineren Ländern genügt ein Staatssekretär. Oder aber der Ministerpräsident übernimmt die "außenpolitische" Aufgabe selbst, wie in Kiel und Schwerin. Die Einrichtung dieser Minister- oder Beauftragtenposten seit den 80er Jahren hatte defensiven Charakter: Brüssel mischte sich zunehmend in Zuständigkeiten ein, die im deutschen Bundesstaat Sache der Länder sind. Nicht zuletzt in der Struktur-, Industrieansiedlungs- und Umweltpolitik. Neuerdings droht sogar EU-Einmischung in der ureigensten Ländersache: der Bildungspolitik.

Die Europaminister sind keine Fachminister mit eigener Verwaltung, sondern haben eine koordinierende Aufgabe: zwischen den Landesministerien und länderübergreifend. Dazu gibt es seit 1992 eine Europaministerkonferenz (erster Tagungsort: Wildbad Kreuth). Zudem fungieren sie als Vertreter der Länder in Brüssel und beim Ausschuss der Regionen, aus dem manche Landespolitiker gerne eine zweite europäische Kammer analog zum Bundesrat machen würden.

Das Kernproblem der Deutschen: Regionen mit weit gehenden Kompetenzen wie die Bundesländer sind eigentlich im politischen Prozess der EU nicht vorgesehen. Die Länder haben daher Schwierigkeiten, ihre Interessen wirkungsvoll vorzutragen. Es fehlt an starken Verbündeten in anderen EU-Staaten. Im Zuge des Maastricht-Vertrages haben sie sich zwar 1992 im Grundgesetzartikel 23 ein europapolitisches Mitwirkungsrecht verbriefen lassen. Über ihr Lobbying in Brüssel hinaus können sie auf EU-Ebene aber nur durch die Bundesregierung Einfluss geltend machen. Nicht zuletzt über das Außenministerium, das seit 30 Jahren aber von den kleinen Koalitionspartnern FDP und Grüne geführt wird, die in der Landes- und Kommunalpolitik weniger verankert sind und dem Eigenständigkeitsbegehren der Ministerpräsidenten von SPD und Union weniger nahe stehen. Das könnte auch ein Hintergrund sein für das Vorhaben des Kanzlers.

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