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Politik: Europapolitik: Ohne Fischer?

In der Bundesregierung ist neuer Streit um die Zuständigkeit für die Europapolitik ausgebrochen. Am Rande des EU-Gipfels von Barcelona waren am Wochenende Überlegungen aus dem Umkreis von Bundeskanzler Gerhard Schröder bekannt geworden, vor allem die Zuständigkeit für die Industriepolitik im Kanzleramt zu bündeln oder ein eigenständiges Europaministerium zu gründen.

Von Hans Monath

In der Bundesregierung ist neuer Streit um die Zuständigkeit für die Europapolitik ausgebrochen. Am Rande des EU-Gipfels von Barcelona waren am Wochenende Überlegungen aus dem Umkreis von Bundeskanzler Gerhard Schröder bekannt geworden, vor allem die Zuständigkeit für die Industriepolitik im Kanzleramt zu bündeln oder ein eigenständiges Europaministerium zu gründen. Im Auswärtigen Amt, wo ähnliche Pläne zur Neustrukturierung der Europapolitik schon lange mit Missbilligung beobachtet werden, wurde dagegen deutlich gemacht, dass Außenminister Joschka Fischer im Falle einer Wiederwahl nicht willens sei, auf diesen Kernbereich seiner Gestaltungsmacht zu verzichten.

Hintergrund der Überlegungen ist die deutsche Unzufriedenheit mit der Industriepolitik der EU-Kommission. Im Vorfeld des Treffens von Barcelona hatte das Kanzleramt deutlich gemacht, dass Brüssel zu wenig Rücksicht auf deutsche Interessen nehme.

Der Kanzler-Vorstoß muss im Auswärtigen Amt auch deshalb als Affront empfunden werden, weil die Erweiterung und Reform der EU ein Herzensprojekt Fischers ist, das er zum zentralen Ziel seines politischen Wirkens erklärt hat. Erst am Wochenende auf dem Parteitag in Berlin schwor Fischer seine Partei darauf ein, sich auch im Wahlkampf als die eigentliche Europa-Partei zu präsentieren. Allerdings heißt es aus Fischers Ministerium, vor der Wahl werde es keine Entscheidung über einen Neuzuschnitt geben. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass aus dem Leitantrag für den SPD-Parteitag im vergangenen Herbst die Forderung nach der Bündelung der Europa-Zuständigkeiten gestrichen worden sei.

Auch in Brüssel ist Schröders Vorstoß ein Thema. Wenn die 15 Außenminister dort zusammenkommen, beschäftigen sie sich oft nur zum kleinsten Teil mit Außenpolitik. Im Rahmen des "Allgemeinen Rats" sollen sie die Politik der EU koordinieren: Sie bereiten die EU-Gipfel vor und beraten über die innere Reform der EU. Oder sie sprechen das letzte Wort, wenn sich die Fachminister nicht einig geworden sind. Da der "Allgemeine Rat" oft mit Detailfragen überfrachtet ist, wird in Brüssel schon lange über eine Reform diskutiert.

Denn Europapolitik ist längst keine Außenpolitik mehr, sondern - wie Schröder zurecht sagt - europäische Innenpolitik, die tief greifende Auswirkungen auf die Mitgliedsländer hat. Umstritten ist aber, ob dies auch eine Verlagerung von Zuständigkeiten bedingt. Bisher hat sich bewährt, dass die Diplomaten des Auswärtigen Amts die Federführung bei europäischen Themen innehatten. Wie kläglich ein Mann aus dem Kanzleramt in Brüssel Schiffbruch erleiden kann, zeigt der Fall Bodo Hombach. Der von Schröder als "Koordinator für den Stabilitätspakt" nach Brüssel geschickte ehemalige Kanzleramtsminister scheiterte im ungewohnten internationalen Milieu.

Streit um die Europa-Kompetenzen hatte es schon einmal zwischen SPD und Grünen gegeben, bei den Koalitionsverhandlungen 1998, als der damalige SPD-Chef und designierte Finanzminister Oskar Lafontaine die Europa-Politik aus seinem Ressort heraus betreiben wollte. Dem stellte sich Fischer strikt entgegen mit dem Hinweis, dann übernehme er das Außenamt nicht, er sei doch nicht nur der "Grüß-Onkel".

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