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Kanzlerin Angela Merkel und der portugiesische Ministerpräsident Antonio Costa am Donnerstag in Lissabon.

© Franzisko Leong/AFP

Europas Sorgenkinder: Aus eigener Kraft

Portugal hat eine wirtschaftliche Rosskur durchgemacht, wie sie auch Italien gut gebrauchen könnte. Ein Kommentar.

Ein Besuch beim neuen Entwicklungs- und Technologiezentrum des Konzerns Bosch in Braga, ein Abstecher bei der Universität von Porto – die Stationen, die Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem zweitägigen Besuch in Portugal wählte, vermitteln eine Botschaft: Europa braucht Innovationen, wenn der Kontinent im 21. Jahrhundert bestehen will. Dabei ist es durchaus sinnvoll, dass die Kanzlerin der Wandlungsfähigkeit der EU ausgerechnet in Portugal nachspürte: Noch vor wenigen Jahren, auf dem Höhepunkt der Euro-Krise, zählte der Staat im Südwesten der EU zu den Sorgenkindern der Gemeinschaftswährung. Heute gilt das Land als europäischer Musterschüler.

Verzicht auf Feiertage

Anders als in Rom, wo sich eine Populisten-Regierung anbahnt, haben die Politiker in Lissabon die Wende geschafft. 2011 musste Portugal die Hilfe des Euro-Rettungsschirms in Anspruch nehmen, um eine Pleite zu verhindern. Unter der Aufsicht der Troika waren viele Portugiesen gezwungen, Lohn- und Rentenkürzungen hinzunehmen. Sogar die katholischen Feiertage Allerheiligen und Fronleichnam wurden gestrichen, um die Wirtschaft wieder flott zu machen. Heute kann es sich das vom sozialistischen Ministerpräsidenten Antonio Costa geführte Land dank der guten Weltkonjunktur sogar erlauben, etliche Sparbeschlüsse aus der Troika-Zeit wieder zurückzudrehen.

Die Portugiesen zogen die Politik der Troika in Zweifel

Portugal hat eine wirtschaftliche Rosskur durchgemacht, wie sie auch Italien gut gebrauchen könnte. Nun mag man einwenden, dass Italien als drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone sich kaum den Vorgaben der internationalen Institutionen beugen würde, wie es das kleine Portugal tun musste. Dennoch zeigt das Beispiel Portugals sehr gut, wie man mit dem Reformdruck aus Brüssel sinnvollerweise umgehen kann. Die Portugiesen fanden sich nie mit einer Rolle willfähriger Erfüllungsgehilfen der Troika ab. Das zeigt das Beispiel der erfolgreichen Klage des damaligen Staatspräsidenten Anibal Cavaco Silva – eines Konservativen – gegen den Sparetat im Jahr 2013. Was die Verantwortlichen in Lissabon in diesen schwierigen Jahren indes in erster Linie auszeichnete, war ihr Wille, die Wende aus eigener Kraft hinzubekommen. Portugal habe sich „aus dem Loch gezogen“, erklärte der damalige Premier Pedro Passos Coelho, als das Land 2014 den Rettungsschirm verließ.

Italiens Populisten trumpfen auf - wegen der Größe des Schuldenberges

Italiens Populisten treten angesichts der Größe ihres Landes – und der politischen Sprengkraft des Schuldenberges – vergleichsweise großspurig auf. Zudem profitieren sie davon, dass die Italiener reformmüde sind. Ein überharter Sparkurs zu Beginn des Jahrzehnts wirkt bis heute nach. Das Beispiel Portugals zeigt, dass es auch anders geht.

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