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Europawahl 2019: Europa heißt Vielfalt – auch an den Wahlurnen

28 Länder wählen: In den Niederlanden siegen die Sozialdemokraten, Populisten verlieren. In Großbritannien ist es umgekehrt. Europa ist spannend. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Jetzt wird's spannend. Knapp eine halbe Milliarde Wahlberechtigte in 28 Ländern an vier aufeinanderfolgenden Tagen – damit ist die Wahl des Europäischen Parlaments (EP) die zweitgrößte demokratische Wahl der Welt nach Indien; dort sind es noch ein paar Menschen mehr und sind die geografischen Dimensionen noch etwas größer.

Ein europäischer Trend? Die nationalen Trends sind gegenläufig

Die ersten Ergebnisse verraten, dass es vier Tage spannend bleibt. Vielleicht auch länger, ja nach dem Tempo der Auszählungen. Niederländer und Briten haben am Donnerstag als Erste ihre Stimmen abgegeben. Und nun zeigt sich: Es gibt keinen europäischen Trend im Jahr 2019. Es gibt nationale Trends, die gegenläufig wirken. 

In den Niederlanden sind die Sozialdemokraten die großen Gewinner. Unter Frans Timmermans haben sie ihren Stimmenanteil in etwa verdoppelt. Der große Verlierer ist Geert Wilders von der rechtspopulistischen PVV. Nach ersten Prognosen wird die Partei wohl drei der bisher vier Sitze im Parlament verlieren. Die Christdemokraten des regierenden Premiers Mark Rutte werden wohl auch dazu gewinnen, aber eine Spur Enttäuschung ist bei ihm schon herauszuhören. Er wäre gern die stärkste Kraft geworden, doch die Sozialdemokraten überflügelten ihn.

Steigen damit Timmermans Chancen, Kommissionspräsident zu werden? Er ist der Spitzenkandidat der Fraktion sozialdemokratischer Parteien im EP (S&D). Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Trend in ganz Europa ein Genosse ist. Die SPD fragt sich eher, wie hoch ihre Verluste ausfallen. Das hat auch damit zu tun, dass im Wahlkampf in Deutschland alle möglichen Themen gepuscht worden – gerne auch solche die gar nicht in die Kompetenz des Europaparlaments fallen. Darunter die Grundrente, wie man sich in Brüssel mokiert

In Großbritannien verliert die Mitte, die Ränder legen zu

Und in Großbritannien kassiert die Labour-Partei die Quittung für ihren Anteil am Brexit-Chaos. Es gibt dort zwar noch kein Wahlergebnis und auch keine Exit-Polls auf Basis der Befragung von Wählern nach der Stimmabgabe. Aber die letzte Umfrage legt nahe: Labour verliert stark. Die Tories trifft der Zorn der Wähler noch weit mehr. Ganz großer Sieger sind die radikalen EU-Gegner unter Nigel Farage. Auch die proeuropäischen Kräfte haben hinzugewonnen, die Liberaldemokraten und die Grünen. Aber nicht mal ansatzweise so viel wie Farage. 

Theresa May und ihr Mann Philip verlassen nach der Wahl ein Wahllokal in London.
Theresa May und ihr Mann Philip verlassen nach der Wahl ein Wahllokal in London.

© Victoria Jones/PA Wire/dpa

Hauptthemen des Tages in London aber ist das nahe politische Aus für Theresa May. Sie will aber wohl erst nach dem Staatsbesuch von Donald Trump bei der Queen aus dem Amt scheiden.

Die Trends in den Niederlanden und in Großbritannien weisen in unterschiedliche Richtungen. So widersprüchlich – und spannend – werden die weiteren Etappen der Europawahl wohl bleiben. Heute gehen Iren und Tschechen an die Urnen. Europa ist vielfältig. Und deshalb lohnt es, dranzubleiben.

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