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Europoly - Privatisierung in EU-Krisenländern: Portugals krummer Bankendeal

In der Krise wird Europa zum Spielfeld der Zocker. Portugal rettet eine Bank mit Steuermilliarden und verkauft sie billig an eine angolanische Despotentochter. Die Geschichte eines portugiesischen Bankenskandals.

Diese Reportage ist Teil des Multimedia-Dossiers "Europoly - Privatisierung unter der Troika". Zum Dossier gehts hier.

Das Los-Feld ist bei Monopoly-Spielern extrem beliebt. Hier muss beim Passieren niemand zahlen, kann aber kassieren. Im Europoly, dem Spiel um Milliarden in den EU-Krisenstaaten, hat Portugal eine seiner Banken in ein Los-Feld für Investoren verwandelt. Aber der Reihe nach: Paulo Pena schaut auf und grinst. „Bereit?“, fragt er. Pena sitzt in einem Café am Ufer des Tejo in Lissabon und versucht, zwischen zwei Tassen Kaffee einen Bankenskandal zu erklären. Er ist selbst Journalist und hat vor kurzem ein Buch veröffentlicht – „Power Games: Wie die portugiesischen Banken die Schuldenkrise verursacht haben“. Es ist ein Bestseller geworden, handelt von Erpressung und politischen Seilschaften. Die Bank, um die es heute geht, ist eigentlich von der Größe her nicht mal besonders bedeutend. Doch die Banco Portugues de Negocios, kurz BPN genannt, ist, als sie 2008 in die Krise gerät, tief verstrickt in riskante Immobiliengeschäfte. Einige Kreditnehmer sollen hochrangige Politiker gewesen sein. Die Regierung entscheidet sich, die BPN zu verstaatlichen und damit vor dem Bankrott zu retten. 

Heute sagen viele Experten, die Rettung sei ein großer Fehler gewesen, auch die Regierung gesteht das zumindest indirekt ein. Doch damals fürchtete man, ein Bankrott hätte schlimmste Folgen für die Wirtschaft. Und auch einige Jahre später unter dem Troika-Regime entscheidet sich die portugiesische Regierung erneut gegen eine kontrollierte Pleite. Ein erster Versuch, die Bank für 180 Millionen zu verkaufen, ist im Jahr 2010 gescheitert. Trotzdem drängt vor allem die konservative Opposition, die nur kurz später auf die Regierungsbank wechselt, in den Verhandlungen mit der Troika auf eine schnelle Re-Privatisierung.

Im Vertrag zwischen der Troika und Portugal werden Details festgehalten, die für den sonst sehr vage gehaltenen Text höchst ungewöhnlich sind. Die BPN soll innerhalb von drei Monaten ohne einen Mindestpreis verkauft werden, und der portugiesische Staat soll zudem alle schlechten Verträge übernehmen, die die Bank belasten. Ein potentieller Käufer kann auf Grundlage solcher öffentlich fixierten Ausgangsbedingungen wirklich alles verlangen. Es ist ein wenig so, als würde einer der Europoly-Spieler aufhören zu würfeln und auf dem Los-Feld sitzen bleiben, um bei jedem Zug Geld einzuziehen.

Isabela dos Santos, die einzige weibliche Milliardärin Afrikas.
Isabela dos Santos, die einzige weibliche Milliardärin Afrikas.

© dpa

Zunächst heißt es, neun Unternehmen seien an der BPN interessiert, darunter brasilianische, spanische und argentinische Banken. Am Ende bleibt aber wieder nur ein ernsthafter Interessent übrig: die Banco BIC Angola, die viertgrößte Bank des südafrikanischen Staats. Sie hat zu diesem Zeitpunkt schon einen Zweig in Portugal, die BIC Portugal, die vor allem Handelsgeschäfte zwischen Portugal und seiner ehemaligen Kolonie finanziert.

Die wichtigsten Eigentümer der BIC sind mit jeweils 25 Prozent Américo Amorim, portugiesischer Kork-Milliardär, und Isabela dos Santos, Tochter des angolanischen Präsidenten. Die Bank BIC wurde erst 2005 gegründet, ihr größter Kreditnehmer ist damals mit 450 Millionen Euro die angolanische Regierung. Isabela dos Santos trägt in ihrer Heimat den Spitznamen „die Prinzessin“. Forbes nennt ihre Aufstiegsgeschichte ein „seltenes Fenster in dieselbe tragische kleptokratische Erzählung, die so viele ressourcenreichen Länder in der ganzen Welt im Griff hat.“ Dos Santos macht ihr Geld vorzugsweise mit Öl und Diamanten. Während die meisten Angolaner von weniger als zwei Dollar am Tag leben müssen, wird ihr Vermögen auf drei Milliarden Dollar geschätzt.

Portugal hat in Angola Milliardenkredite verloren - und vertraut angolanischen Banken trotzdem

Die BIC verfügt über beste politische Kontakte. BIC-Geschäftsführer Luis Fernando de Mira Amaral ist früherer Industrieminister und war schon mal Vize-Präsident der staatseigenen Bank CGD, welche die BPN vor dem Bankrott gerettet hat. Laut portugiesischen Medien traf er sich während der Verhandlungen mindestens zwei Mal privat mit Premierminister Pedro Passos Coelho.

Kurz vor dem Verkauf, muss die portugiesische Regierung erneut 600 Millionen in die BPN pumpen, damit die Bank überhaupt die europaweit vorgeschriebene Eigenkapitalquote erfüllt. Ein Untersuchungsausschuss des portugiesischen Parlament schätzt später, dass die Verstaatlichung und Reprivatisierung der BPN die portugiesischen Steuerzahler bis heute rund sechs Milliarden Euro gekostet haben. Die Angolaner kaufen die BPN für 40 Millionen.

EU-Kommissar Joaquin Almunia bleibt bis heute dabei: Der Deal sei die einzige Möglichkeit, gewesen, Portugals Bankensektor vor einer Destabilisierung zu retten. Nach Angaben der damaligen Staatssekretärin und heutigen Finanzministerin Maria Luis Abuquerque wäre die Alternative zur Reprivatisierung nur die Pleite der Bank gewesen. Diese wäre mit 1,5 Milliarden Euro angeblich noch teurer geraten.

„Das war ein Geschenk“, schimpft dagegen ein anderer Politiker, der an den Troika-Verhandlungen beteiligt war. Tatsächlich ist es so, dass die Portugiesen auch weiter für den Deal zahlen müssen. Es gibt Geheimklauseln, von denen nur wenige bisher aufgedeckt wurden. Eine davon ist laut portugiesischen Medien, dass die neue Bank BIC heute schlechtere Konditionen anbietet als die BPN früher. Die Differenz zu den hohen Zinsen, die Altkunden weiterhin bekommen, zahlt der Staat. Das hat allein in den ersten sechs Monaten des Jahrs 2013 schon acht Millionen Euro gekostet.

Die äußerst zwielichtige Rolle, die Angola in internationalen Finanzgeschäften spielt, will auf Seiten der Troika niemand kommentieren. „Wir leben in einer globalisierten Wirtschaft“, sagt IWF-Repräsentant Jäger. Wenn sich die BIC im Ausschreibungsverfahren durchgesetzt habe, dann sei davon auszugehen, „dass sie die objektiven Anforderungskriterien erfüllt hat.“ Dabei hat die portugiesische Regierung keine besonders guten Erfahrungen mit dem angolanischen Finanzsektor gemacht: Die inzwischen aufgelöste und mit Hilfsmilliarden gestützte Bank „Espirito Santo“ hat in den vergangenen Jahren 5,7 Milliarden Euro Kredite an Angola vergeben. Die verschwanden. Ein anderer Banker und Vertrauter der angolanischen Herrscherfamilie muss sich in den USA wegen des Verdachts auf Geldwäsche verantworten

Diese Reportage ist Teil des Multimedia-Dossiers "Europoly - Privatisierung unter der Troika". Zum Dossier gehts hier.

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