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Der Fraktionschef der EVP im Europaparlament, Manfred Weber (CSU).

© picture alliance / Michael Kappe/dpa

EVP-Fraktionschef Weber im Interview: "Wir müssen einen Konsens mit Frankreich finden"

Vor der Rede Macrons im Europaparlament fordert der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber, von der Unions-Fraktion im Bundestag mehr Kompromissbereitschaft.

An diesem Dienstag spricht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor dem Europaparlament in Straßburg. Was erwarten Sie von der Rede?

Emmanuel Macron steht für den Erfolg gegenüber den Radikalen von Le Pen und gegen diejenigen, die das europäische Aufbauwerk wieder einreißen wollen. Deshalb erwarte ich von seiner Rede ein Signal des Aufbruchs, das jetzt notwendig ist. Macron wird beschreiben, worin seine Ziele für den europäischen Kontinent bestehen. Ich freue mich auf seine Rede.

Macron hat ein eigenes Budget für die Euro-Zone gefordert. Wie weit soll ihm die Bundesregierung da entgegenkommen?

Die Vorschläge von Deutschland und Frankreich liegen auf dem Tisch: Macron hat weit gehende Vorschläge für die Reform der Euro-Zone gemacht. Die Bundesregierung hat sich mit der Koalitionsvereinbarung, in der ein „neuer Aufbruch für Europa“ gefordert wird, festgelegt. Jetzt geht es darum, einen vernünftigen und praktikablen Mittelweg zu finden. Das bedeutet: Eine beschränkte Weiterentwicklung des Euro-Rettungsfonds ESM hin zu einem Europäischen Währungsfonds ist im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion die zentrale anstehende Reform. Wobei: Der wichtigste Beitrag, den Macron zum wirtschaftlichen Aufschwung in Europa leisten kann, besteht darin, dass die Reformen in Frankreich funktionieren. Denn ein starkes Frankreich trägt wesentlich dazu bei, Europa wirtschaftlich langfristig in der Spur zu halten.

Sie sprechen sich für einen Umbau des ESM aus. Da bremst allerdings die Unionsfraktion in Berlin.

Ich finde es richtig, dass in Berlin klar die nationalen Interessen definiert werden – gerade von der Unionsfraktion. Aber es ist auch klar, dass wir in dieser Phase einen Konsens mit Frankreich finden müssen. Beim geplanten Europäischen Währungsfonds bleibt es dabei: Bei der Entscheidung über neue Hilfsprogramme muss das Vetorecht des Bundestages erhalten bleiben. Dies war auch in der Vergangenheit bei den Hilfsprogrammen etwa für Irland oder Griechenland der Fall. Aber grundsätzlich gilt: Wir brauchen einen Europäischen Währungsfonds, der ja ein Vorschlag von Wolfgang Schäuble ist, weil wir unabhängig werden müssen von internationalen Geldgebern. Mögliche künftige Krisen muss Europa ohne Donald Trump bewältigen können. In der letzten Staatsschuldenkrise hatten wir die Unterstützung des Internationalen Währungsfonds. Das war notwendig, weil wir damals die Erfahrung beim Umgang mit derartigen Krisen noch nicht hatten. Inzwischen verfügt Europa aber selbst über die nötige Expertise.

Soll der Europäische Währungsfonds künftig ausschließlich von den Euro-Staaten kontrolliert werden auch auch vom Europaparlament?

Es braucht generell eine Stärkung der Parlamente, in Berlin wie in Straßburg. Es gibt eine grundsätzliche Übereinkunft, dass der ESM einmal in Gemeinschaftsrecht überführt wird – also mit Einflussmöglichkeiten für die EU-Kommission und das Europäische Parlament. Allerdings ist die Frage der Rechtskonstruktion für den Europäischen Währungsfonds nicht die entscheidende. Viel wichtiger ist: Wer stellt Geld bereit und entscheidet über ein mögliches Hilfsprogramm? Da bleibe ich dabei: Der Bundestag und – falls dies bei den anderen Mitgliedstaaten so gewünscht ist – die jeweiligen nationalen Parlamente in der Euro-Zone müssen die Möglichkeit haben, über Hilfsprogramme zu entscheiden.

Im Sinne Macrons wäre es auch, wenn im Juni der Startschuss für die erste Phase der Einlagensicherung fallen würde. Sind Sie einverstanden?

Bevor eine europäische Einlagensicherung kommt, müssen die Bankbilanzen bereinigt werden. Das ist beispielsweise bei den Bankbilanzen in Italien offensichtlich nicht der Fall. Deshalb kann es keine Vergemeinschaftung von Haftungsrisiken im Bankenbereich geben, so lange die Risiken nicht in genügendem Maße abgebaut worden sind.

Täuscht der Eindruck, dass Macron am Ende wohl nur wenige der europäischen Projekte verwirklichen kann, die er in der Sorbonne noch im vergangenen September vorgeschlagen hat?

Das glaube ich nicht. Ein Fehler in der deutschen Debatte besteht darin, dass wir uns nur auf Macrons Vorschläge zur Euro-Zone konzentrieren. Aber nehmen wir beispielsweise das innenpolitische Vorgehen des französischen Präsidenten in der Flüchtlingspolitik. Sein Kurs passt sehr gut zu unseren Vorschlägen in der Europäischen Volkspartei: Einerseits geht es um einen spürbaren Schutz der europäischen Außengrenzen gegen illegale Migranten. Andererseits geht es um Hilfsbereitschaft bei der Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen. Die Kontrolle der Migration in die EU ist aus meiner Sicht im Jahr 2018 für die Menschen viel wichtiger als die Euro-Frage. Dies hat die Parlamentswahl in Italien gezeigt, aber auch die Diskussion in Ungarn, Tschechien oder bei uns in Deutschland. Wir müssen in diesem Jahr die wesentlichen Aufgaben abarbeiten, um bei der Europawahl im kommenden Jahr mit der Botschaft vor die Wähler treten zu können: Wir haben geliefert. Deshalb wäre es entscheidend, wenn in Berlin nicht nur zu Recht nationale Positionen fixiert werden, sondern auch Dialogbereitschaft auf europäischer Ebene signalisiert wird.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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