Istanbul - Bei den Festnahmen und Durchsuchungen waren Beamte der Anti-Terror-Polizei im Einsatz – die lange Zeit unantastbaren Militärs stehen in aller Öffentlichkeit als potenzielle Schwerverbrecher da.
Istanbuler Staatsanwälte ermitteln seit zweieinhalb Jahren gegen eine Organisation namens Ergenekon, zu der zahlreiche Offiziere gehören und die den Sturz der islamisch geprägten Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan betrieben haben soll. Mehrere Dutzend Angeklagte stehen bereits vor Gericht, doch es tauchen immer neue angebliche Pläne und Waffenverstecke auf, die immer neue Festnahmen auslösen.
Am Montag griff sich die Polizei zwei sehr prominente Militärs, Ex-Luftwaffenchef Ibrahim Firtina und Ex-Marinekommandant Özden Örnek. Die beiden mussten bereits im Dezember bei der Staatsanwaltschaft antreten, weil Örnek in einem Tagebuch mehrere Putschpläne in der Armeespitze zwischen 2003 und 2005 beschrieben haben soll. Vor einigen Wochen war zudem ein Planspiel der Armee mit dem Codenamen „Vorschlaghammer“ bekannt geworden, das bis 2006 während der Offiziersausbildung verwendet wurde und das den Sturz der Erdogan-Regierung vorsah. Seit 1960 hat die türkische Armee vier Regierungen von der Macht verdrängt.
Generalstabschef Ilker Basbug sagte nach den Festnahmen vom Montag eine Reise nach Ägypten im letzten Moment ab. Der Armeechef hat bisher alle Vorwürfe gegen seine Untergebenen dementiert. Doch Festnahmen hoher Militärs wie Firtina und Örnek sind nur mit Zustimmung des Generalstabschefs denkbar. Angesichts immer neuer Vorwürfe hat sich Basbug möglicherweise entschlossen, die Staatsanwaltschaft nicht zu behindern.
Dahinter steht die Sorge der Militärs, dass ihr wichtigstes Gut in Gefahr gerät: das Ansehen der Armee in der Öffentlichkeit. Dieses Ansehen nehme ab, schrieb der Journalist und Armeekenner Mehmet Ali Birand kürzlich. Er empfahl den Generälen, „faule Äpfel“ aus den eigenen Reihen zu entfernen. Thomas Seibert
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