zum Hauptinhalt
Unterstützung aus Kiew: Rund 2500 Oppositionelle demonstrierten am Sonntag für die Rückkehr des ehemaligen Gouverneurs von Odessa.

© Gleb Garanich/Reuters

Ex-Gouverneur Michael Saakaschwili: Held und Despot

Mit der Ausweisung Michael Saakaschwilis aus der Ukraine geht die politische Karriere des ehemaligen Gouverneurs von Odessa zu Ende - vorerst.

Eine der schillerndsten politischen Karrieren der jüngsten Zeit scheint ihr – zumindest vorläufiges – Ende gefunden zu haben. Das Oberste Gericht der Ukraine hat am Wochenende eine Beschwerde gegen die gewaltsame Ausweisung des früheren georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili nach Polen zurückgewiesen. Der 50-jährige Politiker ist einer der schärfsten Kritiker des ukrainischen Staatsoberhauptes Petro Poroschenko. Die Kiewer Behörden werfen Saakaschwili Bestechlichkeit und Hochverrat vor. Er soll Verbindungen zu Kreisen um den gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch haben.

Saakaschwili war im Herbst 2017 die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen worden, wogegen er sich juristisch zur Wehr setzt. Inzwischen ist Saakaschwili in die Niederlande weitergereist, wo dem Staatenlosen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt wurde. Seine Frau Sandra ist Niederländerin wie auch seine zwei Söhne.

Am vergangenen Montag war Saakaschwili von ukrainischen Sicherheitskräften unter abenteuerlichen Umständen nach Polen deportiert worden. Maskierte und schwer bewaffnete Einsatzkräfte hatten ihn in einem Kiewer Restaurant festgenommen, in kennzeichenlosen weißen Minivans zum Flugplatz gebracht und in ein Privatflugzeug mit dem Ziel Warschau verfrachtet. Der ukrainische Geheimdienst bestritt zunächst eine Beteiligung, ukrainische Medien gehen jedoch von einem Einsatz der Sondereinheit „Alfa“ aus. Die Präsidialverwaltung dementierte Gerüchte, das für die Deportation benutzte Flugzeug gehöre einer Firma, die in einer ausländischen Steueroase registriert und im Besitz des Präsidenten Poroschenko sei. Westliche Reaktionen auf den abenteuerlichen Vorfall blieben weitgehend aus. Die EU mahnte lediglich, Kiew solle die Rechte Saakaschwilis wahren.

Der hat sich, seit er vor vier Jahren in die Ukraine übersiedelte, von einem engen Bündnispartner zum erbitterten Gegner Poroschenkos gewandelt. Vor 15 Jahren, am Beginn seiner politischen Karriere, war Saakaschwili der Held der georgischen Rosenrevolution. Er war ein Volkstribun – angetreten, das durch und durch korrupte, vor dem Zusammenbruch stehende Georgien in ein modernes Staatswesen zu verwandeln. Im Kampf gegen Korruption war der Präsident in seiner Amtszeit tatsächlich bemerkenswert erfolgreich. Es gelang ihm, den mafiösen Strukturen die wichtigsten Hebel der Macht zu entwinden und einen Aufschwung zu organisieren. Zudem bot er sich dem Westen als überzeugter Demokrat und Bündnispartner an. Und er widersetzte sich den neoimperialen Ambitionen seines Nachbarn Putin – manchmal mit Mut und manchmal mit Übermut wie 2008 in der militärischen Auseinandersetzung mit Russland um Südossetien.

Saakaschwilis Schwächen wurden unübersehbar

Das Bild vom Hoffnungsträger bekam rasch Risse. Saakaschwilis subjektiven Schwächen, von denen Eitelkeit noch die verzeihlichste ist, wurden unübersehbar. Er benahm sich kaum anders als all die anderen Despoten in der Region. Auf die Regungen von Unzufriedenheit mit seiner Amtsführung reagierte er teilweise paranoid und autoritär. Der Präsident ließ Proteste niederknüppeln und rief den Ausnahmezustand aus. Ähnlich wie in anderen Ländern der Region ließ sich auch in Georgien studieren, welche Gefahren es birgt, in einem Land ohne demokratische Traditionen den Staat stark zu machen: Wenn Demokratie und Staat in Widerstreit geraten, entscheiden sich die Mächtigen in den seltensten Fällen für die Demokratie.

Anders am Ende bei Saakaschwili: Er ließ eine bei allen Mängeln echte Wahl zu. Und er trat ab, als seine Zeit abgelaufen war. Seine Nachfolger rechneten dennoch ab: Im Januar dieses Jahres wurde Saakaschwili in einem fragwürdigen Prozess in Tiflis wegen Machtmissbrauchs in Abwesenheit zu drei Jahren Haft verurteilt.

Saakaschwili ging bereits vor vier Jahren in die Ukraine. Er unterstützte die Proteste auf dem Maidan in Kiew, die zum Sturz von Poroschenkos Vorgänger Janukowitsch führten. Mit seinen markigen Sprüchen, er werde die Korruption und die Oligarchen bekämpfen, sammelte Saakaschwili eine Reihe von Politikern um sich. Der inzwischen vom Oligarchen zum Präsidenten gewordene Poroschenko machte den Georgier zum Ukrainer und dann zum Gouverneur von Odessa – eine der korruptesten Regionen der Ukraine. Doch dort scheiterte Saakaschwili an den überkommenen Strukturen. Er legte das Amt nieder und richtete seinen Zorn gegen die Mächtigen in Kiew. Was ihm einige Sympathien einbrachte. Nicht wenige Ukrainer sind inzwischen der Meinung, was vor vier Jahren auf dem Maidan als breite Volksbewegung begann, sei in einen bloßen Austausch der Clans gemündet. Mehr als einige tausend Menschen kamen jedoch in der Millionenstadt Kiew nie zu den Protesten, zu denen Saakaschwili aufgerufen hatte. Am Sonntag waren es rund 2500 Menschen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false