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Der Bundesgerichtshof verhandelt am Donnerstag über den Völkermord-Vorwurf gegen einen Ruander.

© Uli Deck/dpa

Ex-Politiker aus Ruanda vor Bundesgerichtshof: Die Anklage lautet: Beihilfe zum Völkermord

Ein deutsches Gericht urteilt in einem Fall aus Ruanda vor mehr als 20 Jahren. Es geht um Völkermord. Der verjährt nicht. Und es gilt das Weltrechtsprinzip.

Wenn beim Bundesgerichtshof am Donnerstag das Strafverfahren gegen Onesphore Rwabukombe aufgerufen wird, dann geht es nicht nur um ein möglichst gerechtes Urteil in einem Einzelfall. Es geht um Völkermord, begangen 1994 im fernen Ruanda. Die deutsche Justiz will einen ehemaligen Bürgermeister aus Muvumba, der damals mit dabei gewesen sein soll, hier verurteilen. Das Oberlandesgericht Frankfurt sprach den inzwischen 58-jährigen Rwabukombe zwanzig Jahre nach dem Massaker schuldig der Beihilfe zum Völkermord an mindestens 450 Tutsi. Es verhängte 14 Jahre Freiheitsstrafe. Der BGH muss jetzt prüfen, ob dieses Urteil endgültig Bestand hat.

Es ist ein Prozess, der „Rechtsgeschichte schreiben wird“, sagte der Ankläger, Oberstaatsanwalt Christian Ritscher, schon in Frankfurt. Für Verteidigerin Natalie von Wistinghausen ist die allein auf Zeugenaussagen basierende Beweislage dagegen „rechtlich fatal“. Kann ein Ex-Politiker aus Ruanda wegen dort begangener Verbrechen zwanzig Jahre später überhaupt von einem deutschen Gericht abgeurteilt werden? Ja, er kann. Denn Mord verjährt nicht, und bei Völkermord gilt das sogenannte Weltrechtsprinzip. Schon nach dem Bürgerkrieg in Jugoslawien verurteilte der BGH 1999 Milizionäre, die zwischenzeitlich in Deutschland lebten, wegen Völkermordes in Bosnien-Herzegowina. Aber damals waren Taten in Europa aufzuklären. Jetzt geht es erstmals um ein Massaker, das rund 9500 Kilometer von Deutschland entfernt stattfand. Onesphore Rwabukombe beantragte 2002 in Deutschland Asyl.

Das Problem besteht in der Beweislage. Drei Jahre lang verhandelte das OLG Frankfurt über das „Kirchenmassaker von Kiziguru“, zu dem der Angeklagte den Befehl gegeben haben soll. 40 Zeugen wurden aus Ruanda nach Frankfurt zum Prozess gebracht, weitere 30 von Ruanda aus per Videoschaltung vernommen, sechs reisten aus anderen Ländern nach Frankfurt. Nach 120 Verhandlungstagen stellte das OLG fest: Mindestens 450 Tutsi hatten am 11. April 1994 in der Kirche von Kiziguru Zuflucht gesucht. Der angeklagte Ex-Bürgermeister habe zusammen mit anderen den versammelten Soldaten, Polizisten und Milizen den Befehl zum Angriff gegeben. Die Opfer wurden aus dem Gotteshaus gejagt und die allermeisten von ihnen getötet. Allerdings war sich das Frankfurter Gericht nicht sicher, ob der Angeklagte eine zentrale Funktion hatte. Deshalb ging das Gericht „nur“ von Beihilfe aus.

Die Verteidigung hat aber große Zweifel an den Zeugenaussagen. Die Justiz in Ruanda könne sie beeinflusst haben. Außerdem hätten einige in früheren Aussagen nie den Namen von Rwabukombe erwähnt, ihn dann aber im Frankfurter Prozess belastet. Anwältin Wistinghausen sprach von einem „Bündnis der Opfer“. Dies sei „menschlich nachvollziehbar, rechtlich fatal“. Das gesamte Urteil basiere allein auf diesen Zeugenaussagen. Der Angeklagte habe nach zwanzig Jahren aber kein Alibi mehr nachweisen können. Die Verteidigung hatte von vornherein Freispruch beantragt.

Ganz anders die Bundesanwaltschaft, die vor dem BGH eine härtere Verurteilung erreichen will. Nach der Beweislage sei der Ex-Hutu-Politiker nicht nur Helfer, sondern Mittäter gewesen. Darauf steht „lebenslänglich“. Der BGH muss nun darüber entscheiden.

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