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Ein Motorrad-Fahrer fährt auf einer Straße in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Mit Pkw-Führerschein kleine Motorräder fahren: So will Scheuer die Verkehrswende voranbringen

Um ein Leichtmotorrad zu fahren, ist seit Jahresbeginn keine Prüfung mehr nötig. Experten fürchten, Unfälle könnten zunehmen.

Mit hundert Kilometern pro Stunde auf einem Motorrad über die Brandenburger Alleen brettern – und das ohne Führerscheinprüfung. Möglich ist das ab sofort durch eine neue Verordnung.

Kaum bemerkt von der breiteren Öffentlichkeit hat sie der Bundesrat am Freitagabend vor Weihnachten durchgewunken, zum Jahreswechsel ist sie bereits in Kraft getreten.

Auf Drängen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) müssen Fahrer von leichten Motorrädern mit einem Hubraum von bis zu 125 Kubikzentimetern und einer Leistung von bis zu 11 KW keine Prüfung mehr ablegen. Sie müssen nur noch diese drei Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie sind mindestens 25 Jahre alt.
  • Sie haben seit mindestens fünf Jahren einen Pkw-Führerschein.
  • Sie haben in der Fahrschule neun Unterrichtseinheiten zu je 90 Minuten absolviert, davon vier theoretische und fünf in der Praxis.

Damit will Scheuer die Verkehrswende vorantreiben. Im Blick hat er vor allem stärker motorisierte E-Scooter, die nicht auf 45 km/h gedrosselt sind.

„Ziel ist es, mehr Mobilität – insbesondere auch im Bereich der Elektromobilität – zu ermöglichen und gleichzeitig die Verkehrssicherheit sicherzustellen“, teilt das Ministerium dazu auf Tagesspiegel-Anfrage mit. „Gerade im ländlichen Raum stärken wir so die individuelle Mobilität und machen den Verkehr durch den Einsatz alternativer Antriebe klimafreundlicher.“ Zudem verweist das Ministerium auf andere EU-Mitgliedstaaten, wie etwa Österreich, wo bereits ähnliche Regelungen in Kraft seien.

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Scheuer hatte zuvor einen politischen Testballon steigen lassen. Im Sommer 2019 hielt man es in seinem Haus bereits für ausreichend, dass Autofahrer lediglich eine 90-minütige Theorieeinheit absolvieren und sechs praktische Fahrstunden – schon die Zeit auf einem Verkehrsübungsplatz sollte genügen.

Auch jetzt sehen Experten eine hohe Gefahr für Leib und Leben. „Schon heute sind Fahrer und Fahrerinnen der Klasse A1 die zweithäufigsten Hauptverursacher von Unfällen mit Getöteten und Verletzten“, sagte eine Sprecherin des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) dem Tagesspiegel. „Wir befürchten, dass sich die Anzahl der Unfälle, Getöteten und Verletzten durch die neue Regelung erhöhen wird.“

Experten warnen bei Führerscheinregel vor erhöhtem Unfallrisiko

Die neue Regelung verstoße somit auch gegen das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, die Zahl der Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr auf Null zu senken. „Auto fahren und Motorrad fahren unterscheiden sich erheblich“, sagt die DVR-Sprecherin mit Blick auf ein erhöhtes Unfallrisiko. „Das betrifft das Fahren in Kurven, das Bremsverhalten, das Sichtverhalten, vor allem aber auch die Gefahrenerkennung und die Möglichkeit sie zu vermeiden.“

Doch die Fahrlehrer und der Bundesverband Emobilität (BEM) begrüßen die neue Regelung. „Im Grunde entfällt nur die Prüfung“, sagt Kurt Bartels, stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände. Trotzdem sei die Schulung intensiv genug.

Demnach sieht der Weg zum Fahren der leichten Motorräder jetzt so aus:

  • Fahrschüler müssen in den Praxisstunden weiterhin nachweisen, dass sie ein leichtes Motorrad auch auf der Landstraße, der Autobahn und beim Bremsen beherrschen.
  • Die Kosten für die Berechtigung zum Fahren der 125er sinken von etwa 1700 Euro auf circa 600 bis 850 Euro.
  • „Wer will, kann morgen mit den Fahrstunden anfangen“, sagt Bartels. „Die Nachfrage in den Fahrschulen ist jetzt schon in den ersten Tagen unglaublich hoch.“

Von den Änderungen werden jetzt auch die Hersteller von E-Motorrädern und entsprechende Sharinganbieter profitieren. Sie können Zweiräder zum Kaufen oder Mieten anbieten, die schneller sind als die bisher üblichen 45 km/h.

Der BEM geht davon aus, dass durch die Gesetzesänderung ein Mehrwert geschaffen werden könne. „Das betrifft den Platz im Verkehrsraum der Ballungszentren als auch die geringen Emissionen“, sagt eine Sprecherin. Der Verband geht davon aus, dass vor allem Menschen im ländlichen Bereich Interesse an E-Motorrädern hätten – aber auch Pendler.

Die Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften Notärzte Deutschlands (BAND) begrüßt die Begrenzung auf „kleine Motorräder“ und die Festlegungen zur theoretischen und vor allem praktischen Schulung sowie zu Mindestalter und Fahrerfahrung. Anders als noch im letzten Sommer seien nun die Voraussetzungen zum Motorradfahren mit dem Autoführerschein klarer geregelt, sagt BAND-Chef Florian Reifferscheid. „Dies kann dazu beitragen, die Vertrautheit mit dem Motorrad und seinen, verglichen mit dem Auto, anderen Fahreigenschaften zu steigern und die Gefahr von Unfällen ohne die Beteiligung dritter zu verringern.“

Mit Blick auf steigende Unfallzahlen zeigt er sich zurückhaltend. Motorradfahrer seien im Vergleich zu Autofahrern zwar grundsätzlich weniger geschützt. Und weil sie zudem generell leichter im Straßenverkehr übersehen würden, „könnten“ mehr von ihnen zu steigenden Unfallzahlen führen. Doch "Spekulationen zu deren Ausmaß" wollte er nicht anstellen.

Ich sehe es so: Wer (Mopped) fahren kann, besteht auch die Prüfung. Und wer es nicht kann, sollte es auch nicht.

schreibt NutzerIn Pressekritiker2

Andere Regelung mit Auto-Führerschein vor 1980

Verkehrsteilnehmer jedoch, die ihren Auto-Führerschein vor dem 1.4.1980 gemacht haben, dürfen bereits die Leichtkrafträder in Deutschland und im Ausland fahren. Der ADAC betont, dass auch bei der verkürzten Ausbildung sichergestellt sein müsse, dass die kleinen Motorräder sicher und verantwortungsvoll bewegt werden.

„Das Anfängerrisiko eines erfahrenen Kraftfahrers mit verkürzter Ausbildung in der Motorradklasse A1 ist mit dem Anfängerrisiko eines jungen (unerfahrenen) Kraftfahrers mit erhöhter Ausbildungszeit in der Klasse A1 zu vergleichen“, sagt ADAC-Sprecher Johannes Boos. „Der Altersfaktor und die Vorerfahrung im motorisierten Straßenverkehr wirken sich dabei positiv aus.“

Schwalbe-Mopeds fahren 2014 durch Suhl (Thüringen) bei der Jubiläumsfeier "50 Jahre Simson-Schwalbe".
Schwalbe-Mopeds fahren 2014 durch Suhl (Thüringen) bei der Jubiläumsfeier "50 Jahre Simson-Schwalbe".

© picture alliance / dpa

Wer jedoch nicht auf E-Mobilität setzt, kann auch jetzt schon auf einem Mopped mit mehr als 45 km/h unterwegs sein – auch ohne die neue Regelung. Mit einer alten „Schwalbe“ beispielsweise kann jeder im Besitz eines regulären Autoführerscheins ohne weitere Übungsstunde losknattern. Sie schafft es auf 60 Kilometer pro Stunde.

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