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Die SPD will die Einkommensteuer erhöhen.

© dpa

Experten gegen Steuererhöhungen: „Der Staat hat genug Geld“

Ein Streitthema zwischen Union und SPD sind vor den Sondierungsgesprächen am Freitag mögliche Steuererhöhungen. Sind sie notwendig? Wirtschaftsexperten sagen Nein. Hier erklären Sie außerdem, warum.

Im Wahlkampf war die Kanzlerin hier ungewohnt klar: Mit ihr gebe es keine neuen Steuern, legte sich Angela Merkel fest. Die SPD dagegen warb nicht nur mit höherer Einkommensteuer, sondern will unter anderem auch die Vermögensteuer wieder einführen. Wenn sich Union und SPD an diesem Freitag zu Sondierungsgesprächen treffen, dürfte hier gestritten werden. Für Ralph Brügelmann vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist aber klar: „Steuererhöhungen sind unnötig“. Der Staat sei „hinreichend finanziert“, sagt er mit Verweis auf die Rekordsteuereinnahmen der letzten Jahre und den Haushaltsüberschuss von 2012. Er plädiert dafür, „die bedarfsgerechte Verteilung anzugehen“. Deborah Schanz, Leiterin des Instituts für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Ludwig-Maximilians-Universtität in München, kritisiert „unsinnige Milliardenausgaben mit zum Teil sogar negativem Steuerungseffekt“ wie das Betreuungsgeld, die „gestrichen werden könnten“. Vor einer höheren Einkommensteuer warnt sie, da die Umverteilung schon heute „signifikant“ sei.

Die Pläne der SPD, das Ehegattensplitting abzuschaffen, könnten vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, warnt Jochen Hundsdoerfer vom Institut für Betriebswirtschaftliche Prüfungs- und Steuerlehre an der Freien Universität Berlin. Eine Vermögensteuer hält er für „extremen Unsinn“, da „der Aufwand bei der Erhebung in keiner Relation zum Ertrag steht“. Wenn Steuern erhöht würden, um eine „geringere Vermögenskonzentration“ zu erreichen, ist auch nach Ansicht von Frank Streif vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) die Vermögensteuer alles andere als der richtige Weg.

Lesen Sie hier die Einschätzung der Experten zur Steuerfrage:

Deborah Schanz
Deborah Schanz

© LMU

Deborah Schanz, Ludwig-Maximilans-Universität, München:

"Wenn es um Investitionen und Schuldenabbau geht, sollten Union und SPD bei den Sondierungsgesprächen besser die Staatsausgaben überprüfen. Unsere Steuereinnahmen liegen mit rund 580 Milliarden bereits auf Rekordhöhe, das sollte reichen. Dagegen können eine höhere Einkommenssteuer oder eine höhere Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte sogar negative Folgen haben.

Derzeit kommen zehn Prozent der Bestverdienenden für 50 Prozent der Einkommensteuer auf, wir haben hier bereits eine signifikante Umverteilung. Diese Menschen sind in der Regel sehr mobil, sie können auch im Ausland arbeiten, dort investieren oder ihr Geld anlegen, und dann bleibt dem deutschen Fiskus gar nichts. Wer Steuersätze vorgeblich nur auf ein früheres Niveau anheben möchte, müsste dann auch die – in der Vergangenheit verbreiterte - Bemessungsgrundlage anpassen. Dazu sehe ich aber keine Bereitschaft. Außerdem gibt es wirklich unsinnige Milliardenausgaben mit zum Teil sogar negativem Steuerungseffekt, die gestrichen werden könnten. Ich denke da an das Betreuungsgeld: Riesige Ausgaben dafür, dass einkommensschwache Familien ihre Kinder daheim behalten, die dann nicht in der Kita gefördert werden können, oder für einen bloßen Mitnahmeeffekt bei den ohnehin Gutverdienenden." 

Ralph Brügelmann
Ralph Brügelmann

© IW

Ralph Brügelmann, Institut der deutschen Wirtschaft (IW):

„Steuererhöhungen sind unnötig, denn unser Staat ist insgesamt hinreichend finanziert. 2012 beispielsweise erwirtschaftete Deutschland einen Haushaltsüberschuss von insgesamt 2,3 Milliarden Euro. Die Gemeinden verzeichneten damals sogar einen Überschuss von 5,2 Milliarden. Für das erste Halbjahr 2013 hat das Statistische Bundesamt für den Staat einen Überschuss von 8,5 Milliarden errechnet. Statt nach mehr Geld zu rufen wäre es also besser, die bedarfsgerechte Verteilung anzugehen. Aber das ist konfliktträchtig, weshalb Politiker davor eher zurückschrecken. Gerade höhere Vermögens- oder Einkommenssteuern wirken in einer Volkswirtschaft erwiesenermaßen am stärksten wachstumsschädlich. Steuern wirken als Anreize – im positiven wie im negativen Sinn. Und wer für viel Arbeit höhere Steuern zahlen muss, arbeitet im Zweifel weniger, Gesellschafter eines Betriebes haben bei hoher Vermögenssteuer weniger Geld, um zu investieren.“

Jochen Hundsdoerfer.
Jochen Hundsdoerfer.

© FU

Jochen Hundsdoerfer, Freie Universität, Berlin:

„Bei der aktuellen Staatsquote bräuchte es eigentlich keine Steuererhöhungen, wenn bei den Staatsausgaben entsprechende Disziplin gehalten würde. Wenn aber höhere Steuern gewollt sind, ist aus wirtschaftlicher Sicht eine höhere Umsatzsteuer am ehesten sinnvoll, da hier die Ausweicheffekte am geringsten sind. Weder Union noch SPD haben das aber in ihrem Programm. An eine Abschaffung des Ehegattensplittings glaube ich anders als die SPD nicht. Das Risiko eines Scheiterns vor dem Bundesverfassungsgericht ist groß: Nur mit dem Ehegattensplitting wird die Alleinverdiener-Ehe nicht gegenüber einer Mehrverdiener-Ehe mit gleichem Haushaltseinkommen benachteiligt. Die Pläne für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer halte ich für extremen Unsinn, weil der Aufwand bei der Erhebung in keiner Relation zum Ertrag steht, weil die Vermögensteuer unternehmerisches Risiko bestraft und so Arbeitsplätze kostet und weil die Steuergeschichte gezeigt hat, dass eine Vermögensteuer nicht gerecht erhoben werden kann. Eine moderate Erhöhung der Erbschaftsteuer durch eine verbreiterte Bemessungsgrundlage dagegen wäre auch für Unternehmen erträglich, hier könnte jährlich ein einstelliger Milliardenbetrag eingenommen werden – und die Union verlöre mit einem solchen Schritt auch nicht ihr Gesicht. Eine Möglichkeit zur Einigung sehe ich auch bei der Finanztransaktionssteuer, hier dürfte man sich auf die Forderung nach europaweiter Einführung einigen können. Dem Vorhaben der Union, den Steuertarif an die Inflation anzupassen, könnte die SPD zustimmen, wenn im Gegenzug die Reichensteuer etwas früher greift und etwas erhöht wird. Das kann kostenneutral durchgeführt werden. Auch das Betreuungsgeld könnte Verhandlungsmasse werden.“

Frank Streif
Frank Streif

© ZEW

Frank Streif, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim:

"Ob Steuererhöhungen angesichts der aktuellen Rekordeinnahmen notwendig sind, sei mal dahingestellt. Wenn man diesen Schritt geht, sollte er aber zielführend sein. Die SPD begründet ihre Pläne für eine Vermögenssteuer vor allem mit dem Ziel einer höheren sozialen Gerechtigkeit und zusätzlichen Steuereinnahmen für Investitionen. Tatsächlich aber ist die Steuer unter anderem aufgrund ihrer hohen Erhebungs- und Verwaltungskosten kaum zu rechtfertigen. So müsste jedes Jahr das vollständige Vermögen eines jeden Steuerpflichtigen entsprechend dem Marktwert erfasst werden; darunter fallen zum Beispiel das Betriebs- und Immobilienvermögen aber auch fungible Vermögensgegenstände wie zum Beispiel Kunstsammlungen und Pferde. Dabei setzt eine Vermögensteuer in Deutschland Anreize zur Verlagerung von Betriebs- und Privatvermögen ins Ausland. Was die Einkommenssteuer betrifft, wird das deutsche Markteinkommen im OECD-Vergleich schon relativ stark durch das Einkommensteuer- und Transfersystem umverteilt, nur noch in Belgien und Österreich wird dieses umfassender umverteilt. Eine Erhöhung der Einkommensteuer nach den Plänen der SPD wäre in Kombination mit der vorgeschlagenen Wiedereinführung einer Vermögensteuer mit zusätzlichem steuerlichen Mehraufwand verbunden. Simulationsrechnungen des ZEW zeigen, dass sich für ein Musterunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft einschließlich ihrer Anteilseigner Mehrbelastungen von rund 20 Prozent ergäben. Wenn dennoch eine geringere Vermögenskonzentration gesellschaftlich gewünscht ist, dann stellt eine reformierte Erbschaftsteuer das zielgenauere Instrument dar."

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