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Politik: Experten: Gewalt im Irak wird zunehmen

Die Zahl der Attentate liegt bei 75 am Tag – und es wird noch schlimmer, befürchten Sicherheitskreise

Von Frank Jansen

Berlin - Ein ganz normaler Tag im Irak ist ein Tag, an dem mehrere Menschen bei Anschlägen sterben. Allein an diesem Freitag töteten Selbstmordattentäter oder Bombenexplosionen mindestens 20 Iraker. Diese Lage wird sich in den kommenden Wochen noch mal verschlechtern, befürchten deutsche Sicherheitsexperten. So liege die Zahl der Anschläge pro Tag inzwischen im Durchschnitt bei 75, heißt es aus dem Umfeld der Bundesregierung. Und im Oktober gebe es gleich drei Anlässe für die Terrorszene, noch härter als bisher zuzuschlagen. Erstens: Mitte Oktober soll die Bevölkerung über den Verfassungsentwurf abstimmen, den ein Ausschuss des Übergangsparlaments im August fertig gestellt hat. Die Volksgruppe der Sunniten lehnt das Papier ab, weil sie die Vorherrschaft von Schiiten und Kurden befürchtet. Damit haben die Terroristen, die meist im so genannten sunnitischen Dreieck im Zentralirak agieren, zusätzlich Auftrieb.

Zweitens: Ebenfalls im Oktober beginnt der Prozess gegen Saddam Hussein. Eine Zunahme der Anschläge, die aus den Reihen der militanten Anhänger des gestürzten Diktators verübt werden, sei nahezu unausweichlich, sagte ein Sicherheitsexperte. Aber auch islamistische Terroristen, die sich zumindest punktuell mit den Saddam-Leuten und anderen irakischen Nationalisten zusammentäten, würden vermutlich mit Attentaten den Prozessauftakt „begleiten“.

Dritter Anlass für eine Steigerung der terroristischen Aktivitäten sei der Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan Anfang Oktober, hieß es in Sicherheitskreisen. Im Ramadan, der für die muslimische Welt eine starke emotionale Bedeutung hat, würden schwere Anschläge vermeintlicher „Märtyrer“ noch mehr Aufmerksamkeit erregen. Die Zahl der Attentate war im Irak nach den Ende Januar abgehaltenen Wahlen zum Übergangsparlament auf täglich 60 gesunken. Vor dem Urnengang hatten Terroristen jedoch bis zu 120 Anschläge pro Tag verübt. Eine ähnliche Eskalation sei für die kommenden Wochen zu befürchten, hieß es in Sicherheitskreisen.

Die verheerenden Attentate der vergangenen Tage bestärken die Experten in ihren pessimistischen Prognosen. Allein bei einem Anschlag am Mittwoch in Bagdad starben mindestens 114 Menschen. Die zu beobachtende Koordination der seit Mittwoch verübten Anschläge lasse die Handschrift des Jordaniers Abu Mussab al Sarkawi erkennen, sagte ein Sicherheitsexperte. Sarkawi bombt im Irak im Namen von Al Qaida. In dieser Woche hatte mutmaßlich Sarkawi in einer Tonbandnachricht den „totalen Krieg“ gegen die Schiiten erklärt.

Unterdessen kündigte der künftige Ministerpräsident Norwegens, Jens Stoltenberg, den Abzug der im Irak stationierten 20 Soldaten seines Landes an. Stoltenberg hatte an der Spitze eines Linksbündnisses die am Montag in Norwegen abgehaltenen Wahlen gewonnen.

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