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Politik: Explosion der Gewalt in Nahost

Israels Armee stürmt Gefängnis in Jericho / Palästinenser verwüsten Büros von EU, Briten und USA in Gaza

Bei der größten Militäraktion im Westjordanland seit Monaten haben israelische Soldaten am Dienstag das Gefängnis von Jericho gestürmt. Dort sitzen unter anderem die Mörder des israelischen Tourismusministers Rehavam Seevi ein. Die Truppen verlangten von sechs Häftlingen, sich zu ergeben, was diese ablehnten. In einer offensichtlichen Reaktion auf die Offensive wurden im Gazastreifen mindestens acht Ausländer entführt.

Die Hamas hat nach ihrem Wahlsieg in den Autonomiegebieten eine Freilassung von Ahmed Saadat in Aussicht gestellt, dem Chef der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP). Dieser gilt als Drahtzieher des Mordes an Seevi im Jahre 2001. Am Dienstagmorgen zogen die britischen und amerikanischen Aufseher ab, die Saadat und seine Mithäftlinge gemäß einem internationalen Abkommen bewachten. Der britische Außenminister Jack Straw erklärte den Abzug der Aufseher damit, dass die Autonomiebehörde deren Sicherheit nicht habe garantieren können. Viele Palästinenser glauben an eine Absprache zwischen London und Tel Aviv und zerstörten das British Council in Gaza, griffen britische Einrichtungen in Ramallah an und entführten mehrere Ausländer.

Nur wenige Minuten nach dem Abzug der drei britischen Wachen griff die israelische Armee mit Panzern, Hubschraubern und Bulldozern das Gefängnis in Jericho im Jordantal an. Dabei wurden nach palästinensischen Angaben zwei palästinensische Sicherheitsmänner getötet, 23 weitere verletzt. Die israelische Armee drohte an, alle Gefangenen zu erschießen, falls sie sich nicht ergeben. Während sich Dutzende palästinensischer Gefangener auf Forderung der Israelis bis auf die Unterhose ausgezogen in israelischen Gewahrsam begaben, verbarrikadierten sich Saadat und seine Mitstreiter in dem Gefängnis. „Wir geben nicht auf“, sagte Saadat per Mobiltelefon. Abbas forderte Großbritannien und die USA auf, ihre Gefängnisaufseher zurückzuschicken und machte sie dafür verantwortlich, falls Saadat und die anderen Gefangenen getötet würden. Die PFLP hatte sich zu dem Mord an Seevi bekannt, sie wollte so die Ermordung des Vorgängers von Saadat durch die israelische Armee vergelten. Saadat hatte sich während der israelischen Militäroffensive 2002 in Jassir Arafats Amtssitz geflüchtet, den die israelische Armee daraufhin abriegelte. In einem Deal mit Israel wurde Saadat unter britischer und amerikanischer Mitwirkung ins Gefängnis nach Jericho verlegt und die Blockade von Arafats Amtssitz aufgehoben. Der israelische Analyst Yossi Alpher sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur AP, der Überfall auf das Gefängnis stehe in direktem Zusammenhang mit der israelischen Parlamentswahl Ende des Monats. Alle Parteien versuchen derzeit, Härte gegenüber den Palästinensern zu demonstrieren. Aber auch die Befürchtung, eine Hamas-geführte Regierung werde Saadat freilassen, spielte laut Alpher eine Rolle.

Die britische Regierung forderte ihre Staatsbürger zum Verlassen der Palästinensergebiete auf. Außerdem wurden zwei französische Mitarbeiter einer Hilfsorganisation und zwei koreanische Journalisten in Gaza von Unbekannten entführt. Die Entführer der Franzosen forderten das Eingreifen Frankreichs. Die palästinensische Abgeordnete Hanan Aschrawi verurteilte die Übergriffe von Palästinensern auf ausländische Einrichtungen und Staatsbürger in der BBC. Gleichzeitig bezeichnete sie den israelischen Angriff als eine „absichtliche Provokation“ mit dem Ziel, Unruhe und Chaos zu schüren.

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