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Politik: Extrem uneinig

Rot-Grün schimpft laut über Stoiber, die CDU ärgert sich heimlich – wird die NPD zum lachenden Dritten?

Von Robert Birnbaum

Berlin - Offiziell sagt natürlich gar keiner was, schon wegen schlechter Erfahrungen mit offenem Streit zwischen CDU und CSU. Aber was sagen würden gerne manche, und Unfreundliches obendrein. „Der Stoiber schon wieder!“, grollt ein Christdemokrat. „Der Stoiber hat den Aschermittwoch auf Sonntag vorverlegt“, knurrt ein anderer. Der CSU-Chef hat mit seiner forschen Schuldzuschreibungskette von „Arbeitslosigkeit“ über „Versagen der Regierung Schröder“ zu NPD-Erfolgen weniger Feind als Freund in Schwierigkeiten gebracht. „So“, sagen viele in der CDU, „so“ würden sie das nie sagen. Etwas anders, etwas differenzierter schon. Aber seit Stoibers Attackenritt läuft auch jedes „etwas anders“ Gefahr, nur noch als Unterstützung für den Bayern wahrgenommen zu werden.

Angela Merkel zum Beispiel. Am Sonntagabend bei „Sabine Christiansen“ lädt Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) reichlich Empörung über Stoiber aus: „abscheulich“ dessen „Entgleisung“. „Es ist gute Übung in Deutschland, dass wir uns Demokraten nicht wechselseitig Nichtdemokraten zum Vorwurf machen, sondern dass wir gemeinsam versuchen, das einzudämmen“, schimpft Clement. Was Merkel im Grunde genauso sieht: „Über die NPD braucht man sich nicht zu zerstreiten, die lehnt man ab.“ Aber Stoiber widersprechen kann die CDU-Chefin auch nicht gut. Also geht sie auf Distanz nach politischer Feinschmecker-Manier: „Tatsache ist, dass ungelöste politische Probleme immer die Extreme stärken und hier ganz besonders die NPD.“ Diese Linie – Stoibers Grundthese Recht geben, dass es einen Zusammenhang zwischen der hohen Arbeitslosigkeit und NPD-Erfolgen gibt, aber seine kurzschlüssige Schuldzuschreibung an die Regierung vermeiden – findet sich am Montag bei vielen Christdemokraten. Wolfgang Bosbach, Merkels Fraktionsvize, nimmt die Kurve mit der Formulierung, Menschen mit Zukunftsängsten müssten durch eine bessere Wirtschaftspolitik wieder ansprechbar für demokratische Parteien werden. Christoph Böhr, Merkels Parteivize, sagt: „Nur eine Politik, die die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit zum Ziel hat, gibt den Menschen Hoffnung und Perspektive.“ Nur Brandenburgs CDU-Chef Jörg Schönbohm springt Stoiber ganz offen bei: Extremisten hätten „leichtes Spiel“, nachdem Schröder ständig Versprechen gebrochen habe: „Damit untergräbt er das Vertrauen in die Politik und treibt Wähler in die Arme von NPD und PDS.“

Leichtes Spiel sieht da für sich vor allem die Regierungsseite: „Aus der untersten Schublade“, grollt Innenminister Otto Schily, „geschmacklos bis unverantwortlich“, schimpft DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer. Und Grünen-Chef Reinhard Bütikofer wirft Stoiber vor, wer einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Rechtsextremismus herstelle, serviere der NPD Ausreden. Das freilich finden selbst solche in der CDU, die Stoibers Spruch ärgert, allzu selbstgerecht. Ihr Kronzeuge heißt ausgerechnet – Franz Müntefering. „Arbeitslosigkeit, fehlende Perspektiven … treiben der extremen Rechten Proteststimmen zu“, heißt es in einer Argumentationshilfe des SPD-Chefs für seine Ortsvereine. Von wegen kein Zusammenhang.

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