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Extremismus: Schlag gegen rechten Nachwuchs

Bundesweite Razzia: Bei Ermittlungen gegen die "Heimattreue Deutsche Jugend" wurden Beweismittel für ein mögliches Verbot gesucht.

Von
  • Frank Jansen
  • Michael Schmidt

Berlin - Bei einer bundesweiten Razzia hat die Polizei Wohnungen und Büros von Mitgliedern der rechtsextremistischen Jugendorganisation „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) durchsucht. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens fanden Durchsuchungen bei rund hundert Menschen statt, wie das Bundesinnenministerium am Donnerstag in Berlin mitteilte. Die Durchsuchungen fanden außer im Saarland und in Bremen in allen Bundesländern statt. Es bestünden Anhaltspunkte, dass sich der „neonazistisch ausgerichtete Jugendverband“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Möglich sei, dass die Organisation nach Auswertung der beschlagnahmten Materialen durch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verboten werde.

Der Verein wurde 1990 gegründet und ist im Vereinsregister von Plön in Schleswig-Holstein eingetragen. Der Sitz ist laut Innenministerium aber Berlin. Regionale Schwerpunkte sind Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Die HDJ hat den Behörden zufolge mehrere Hundert Mitglieder. Mitglieder der HDJ unterhalten zudem Kontakte zu NPD-Protagonisten und zu führenden Vertretern der neonazistischen Kameradschaftsszene.

Über ein Verbot der HDJ wird in Sicherheitsbehörden schon lange debattiert. „Das ist ein lupenreiner Neonazi-Verein“, sagt ein Experte und betont, besonders erschreckend sei die Gehirnwäsche, der auch Minderjährige in den Zeltlagern der HDJ unterzogen werden. Dennoch erscheint ein Verbot kompliziert: Der HDJ muss nachgewiesen werden, dass sie nicht nur intern, sondern nach außen hin und „kämpferisch-aggressiv“, so lautet der juristische Fachbegriff, die demokratische Grundordnung attackiert. Das ist nicht ganz einfach bei einer Organisation, die sich abschottet und sektenartig vor allem innerhalb der rechtsextremen Szene agiert. Deshalb haben die Sicherheitsbehörden jetzt den ungewöhnlichen Weg gewählt, mit einer großen Durchsuchungsaktion ein Verbot anzukündigen und Material zu sammeln, anstatt, wie sonst üblich, mit der Razzia das Ende der Existenz eines Vereins zu exekutieren.

Fraglich ist, ob die HDJ als Nachfolgeorganisation der 1994 verbotenen Wiking- Jugend anzusehen ist, als eine Art Auffangbecken, und damit automatisch verbotswürdig erscheint. Oder ob es sich nicht doch bei der schon 1990 gegründeten HDJ um eine eigenständige Gruppierung handelt. Klar erscheint eigentlich „nur“ die Wesensverwandschaft zum Nationalsozialismus, angesichts der nahezu identischen Ideologie und der symbolhaften Parallelen zu Auftritten der Hitlerjugend.

Die HDJ strebe ein NS-Regime an, sagt ein Verfassungsschützer, „und sie drillt junge Menschen für den Tag X“. Aktuelles Beispiel: Die Polizei löste im August in Mecklenburg-Vorpommern ein HDJ-Zeltlager auf, in dem sich 39 Jungen und Mädchen sowie 50 Erwachsene aufhielten. Die Kader hätten die uniform gekleideten Kinder und Jugendlichen im Alter von acht bis 14 Jahren „gezielt mit nationalsozialistischen Inhalten konfrontiert“, berichtete die Polizei. Die Beamten fanden Schriftstücke, Liedtexte, Tagebücher und Geschirrhandtücher mit Hakenkreuzen.

Nach Beobachtung von Verfassungsschützern schicken vor allem Eltern, die selbst der NPD oder anderen rechtsextremen Organisationen nahe stehen, ihre Kinder zur HDJ. Die Organisation habe elementare Bedeutung für die Strategie der Neonazi-Szene, in der Bundesrepublik eine braune Parallelgesellschaft zu etablieren.

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