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Fürs Leben lernen, dafür ist Schule da, aber nicht alle Schüler kommen gleich gut mit, manche bräuchten mehr Betreuung - die oft ausbleibt.

© dpa

Fachkräftemangel: Die unterspielte Ursache

Vor der Arbeitsplatzwahl kommt die Schule. Auch dahin lohnt der Blick, wenn über den Fachkräftemangel gesprochen wird. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Vielleicht hätte er jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt – das war 1990 ein bekannter Reklameslogan, mit dem das Branchentelefonbuch „Gelbe Seiten“ beworben wurde. Er richtete sich vor allem an Heimwerker, denen ihr Selbstgebautes überm Kopf zusammengebrochen war, und suggerierte: eine Fachkraft finden ist kinderleicht.

27 Jahre später sucht man Fachkräfte zwar via Internet viel leichter als zu papiernen Branchenbuchzeiten, aber dafür ist es längst nicht mehr so leicht, eine zu finden. Das ist und bleibt jedenfalls der trübselige Tenor der Arbeitsmarktbeobachter – und die Lösungsvorschläge der Regierung mögen zwar „vielfältig“ sein, wie sie es selbst darstellt, aber sind sie überhaupt die richtigen? Erst am Mittwoch gab das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos seine neueste Schätzung bekannt, nach der bis 2030 rund drei Millionen Fachkräfte fehlen. Und auch die SPD-Bundesarbeitsministerin, der mitverantworteten Lage im Land gegenüber naturgemäß positiver eingestellt, teilte mit, dass die Herausforderung an der Fachkräftefront „riesengroß“ sei.

Das kann niemandem egal sein, der mal auf eine Fachkraft angewiesen war, es aber nur mit auf den Punkt angelernten, letztlich nicht kompetenten Mitarbeitern zu tun bekam. Und Fachkenntnislosigkeit pflanzt sich fort, weil die Leute ausgehen, die Fachkenntnisse an die Nachfolgenden weitergeben können. Unter dem Stichwort Lehrermangel ist das in Berlin gerade gut zu beobachten. Der bundesweite Mangel an qualifiziertem Personal trifft aber besonders die Branche der Pflege- und Gesundheitsberufe, ist besonders ärgerlich, denn dass die Zahl der Menschen, die pflege- oder sonst wie hilfsbedürftig sind, perspektivisch zunehmen wird, war nicht schwer vorherzusagen. Als Konsequenz aus den vielen offenen Stellen in diesen Bereichen wird inzwischen in Albanien und auch auf den Philippinen nach Personal gesucht. An die andere Möglichkeit, Jobs attraktiv zu machen – Löhne erhöhen und Arbeitsbedingungen verbessern –, denkt man offenbar nicht mal mehr. Als sei nicht das Geld ein großes, manchmal das größte Thema bei der Arbeitsplatzwahl.

Außer im Ausland sucht man Fachkräfte auch wieder verschärft bei inländischen Frauen, vielmehr Müttern, wofür es mehr und flexiblere Kitaplätze geben muss, bei den Älteren, die länger arbeiten, und Flüchtlingen, die schneller integriert werden sollen. Das kann man machen, aber derweil werden an zahllosen deutschen Brennpunktschulen Jahr um Jahr zigtausende junge Leute abschlusslos in die mehr oder weniger garantierte Arbeitslosigkeit entlassen, die mit mehr gezielter Förderung und Betreuung sicher eine Chance gehabt hätten. Auch das ist ein seit Jahrzehnten bekanntes Problemfeld, das aber wiederum andere Zuständigkeiten als das Bundesarbeitsministerium hat.

Und so sieht die Regierung beim Herumbauen am Haus Deutschland manchmal auch aus wie der Hobbybastler, dem seine nicht zu Ende durchdachte Konstruktion auf den Kopf zu fallen droht.

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