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BKA-Chef Ziercke gerät ins Visier.

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Fall Edathy: BKA-Chef Ziercke gerät weiter unter Druck

BKA-Chef Jörg Ziercke offenbart mit seinen jüngsten Äußerungen weitere Widersprüche im Fall Edathy und steht nun weiter unter Druck. Ob es aber einen Untersuchungsausschuss im Bundestag gibt, ist unklar. Selbst die Oppositionsparteien sind sich nicht einig.

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Die Kritik am Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, im Fall Edathy reißt nicht ab. Ziercke hatte am Wochenende dargelegt, dass bei einer „Grobsichtung“ einer Liste deutscher Kunden eines kanadischen Kinderpornorings im Januar 2012 aufgefallen sei, dass auch ein BKA-Beamter zu den Kunden gehörte. Dass auch der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy auf der Liste stand, sei aber nicht bemerkt worden. Bisher hatte Ziercke allerdings stets erklärt, dass man sich erst im Juni 2012 der Liste angenommen habe. „Von einer kursorischen Durchsicht der Liste aus Kanada Anfang 2012 war bisher nie die Rede. Nun wird plötzlich bekannt, dass man doch schon früher einen Blick reingeworfen und den BKA-Beamten entdeckt hat. Das ist merkwürdig und erklärungsbedürftig“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), dem Tagesspiegel. Dabei hätte auch der Name Edathy auffallen können. Das BKA argumentiert, dass Edathy damals noch nicht „derart im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung“ gestanden habe, weil es noch keinen NSU-Untersuchungsausschuss gegeben habe. „Aber als Innenpolitiker und ehemaliger Vorsitzender des Innenausschusses war Edathy durchaus bekannt“, sagte Mayer.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ließ am Montag über seinen Sprecher ausrichten, dass er Vertrauen in Ziercke habe. Zu Einzelheiten wollte er sich aber nicht äußern. Er bestätigte jedoch, dass das Ministerium von dem Verfahren gegen einen BKA-Mitarbeiter wegen Kinderporno-Besitzes erfahren habe. Wann das der Fall gewesen sei, könne er nicht sagen.

Ziercke wird erneut in den Innenausschuss geladen

Auch der Bundestags-Innenausschuss soll sich nach dem Willen der Opposition in einer Sondersitzung noch in dieser Woche erneut mit dem Fall Edathy und dem BKA beschäftigen. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) geht aber davon aus, dass Ziercke erst in einer der regulären Ausschusssitzungen in einer der kommenden Sitzungswochen äußern werde. Unmut erregte Ziercke bei der Opposition, aber auch Teilen der Union vor allem damit, dass er zwar zweimal vor dem Innenausschuss auftrat, aber nicht von dem BKA-Beamten berichtete. Aus dem Protokoll der Sitzung vom 19. Februar, das dem Tagesspiegel vorliegt, geht hervor, dass Ziercke auch nach weiteren Fällen befragt wurde. „Gab es noch andere Ermittlungen gegen andere Personen des öffentlichen Lebens? Herr Edathy ist ja nun eine Person des öffentlichen Lebens. Da sind sehr viele Verfahren in ganz Deutschland unterwegs gewesen, gab es da noch MdL oder Bürgermeister oder sonst welche?" Die Frage ließ Ziercke zunächst unbeantwortet, erst auf Nachfrage sagte Ziercke, das ihm keine weiteren Fälle bekannt seien.

Vor dem Ausschuss stellte Ziercke damals auch klar, dass das BKA erst im Juni 2012 mit den Arbeiten begonnen habe. „Der Beginn der zielgerichteten Auswertung und Aufbereitung dieser Daten war erst ab Juli 2012 im BKA per se möglich. Wir haben sie zwar Ende Oktober 2011 bekommen, konnten aber erst im Juli 2012 anfangen, weil aufgrund anderer Verfahren, z. B. der Operation „Tornado“ mit etwa 1.000 Tatverdächtigen und Beschuldigten in Deutschland, auch in diesem Sachgebiet gearbeitet werden muss.“

Opposition uneins über Untersuchungsausschuss

Ob es, wie am Wochenende gefordert, einen Untersuchungsausschuss geben wird, ist fraglich. Denn in der Opposition ist das umstritten. Linksfraktionschef Gregor Gysi hatte einen solchen Ausschuss als „unumgänglich“ bezeichnet. Auch Parteichefin Katja Kipping ging am Montag in diese Richtung. Die zuständigen Fachpolitiker sind aber skeptisch, was den Ertrag eines solchen Gremiums angeht. Die Linken-Rechtspolitikerin Halina Wawzyniak sagte dem Tagesspiegel, ein Untersuchungsausschuss mache nur Sinn, wenn er „verallgemeinerbare Handlungsempfehlungen“ liefere. Im konkreten Fall sei das aber nicht zu erwarten. „Wer wem was gesagt hat, scheint aufgeklärt zu sein. Und ein Untersuchungsausschuss, wo man nur Herrn Ziercke und drei Beamte vorlädt, scheint mir nicht angemessen zu sein.“ Wawzyniak nannte die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss ein Beispiel für „klassisch linkspopulistische Politik“, die nur auf Schlagzeilen schiele. „Wenn ich die große Koalition wäre, würde ich fünf weitere Untersuchungsausschüsse machen. So lege ich nämlich die Opposition lahm.“

Ein Untersuchungsausschuss bindet viele Kräfte

Vorbehalte äußerte auch der Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion. Er sagte dem Tagesspiegel, als „politisches Druckmittel“ wolle er einen Untersuchungsausschuss nicht ausschließen. Er sei sich aber mit dem Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz einig, dass jetzt zunächst eine Sondersitzung des Innenausschusses einberufen werden müsse, um Ziercke zu vernehmen. Von Notz spricht zwar mittlerweile auch von einem Untersuchungsausschuss, sagt aber nur, dass dieser „im Raum“ stünde. Was so viel bedeuten soll wie: So ein Ausschuss bindet viele Kräfte und muss politisch wirkungsvoll sein, ansonsten hat er keinen Sinn.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), forderte bei aller berechtigter Kritik an Ziercke und den Widersprüchen auch die Verhältnismäßigkeit zu wahren. „Das ganze ist immer noch ein Fall Edathy und kein Fall Ziercke.“ Eine Sondersitzung in dieser Woche halte er weder sachlich noch politisch für notwendig. „Sollte es später zu einem Untersuchungsausschuss kommen, werden wir den als Union nicht blockieren. Ich habe aber meine Zweifel, ob es sinnvoll ist, einen solchen Ausschuss einzurichten, denn man muss aufpassen, dieses Instrument nicht zu inflationär zu benutzen“, sagte Mayer.

Berliner Staatsanwaltschaft stellt Antrag auf Ermächtigung zu Ermittlungen gegen Friedrich

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das Gesuch um eine Ermächtigung für weitere Ermittlungen gegen den zurückgetretenen früheren Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) auf den Weg gebracht. Dies bestätigte eine Sprecherin der Berliner Justizverwaltung dem Tagesspiegel. Der entsprechende Bericht der Staatsanwaltschaft sei bei der Behörde eingegangen. „Der Bericht wird an das Bundesjustizministerium weitergeleitet“, sagte die Sprecherin. Senator Thomas Heilmann werde dabei nicht einbezogen, da es sich nicht um eine politische Entscheidung handele. Das Bundesjustizministerium leitet das Gesuch dann an Bundesinnenminister Thomas de Maizière weiter, der laut Gesetz über die Ermächtigung entscheidet. Ohne eine solche Erlaubnis sind die Staatsanwälte an einer weiteren Strafverfolgung gehindert. Es wird erwartet, dass die Anfrage noch im Laufe der Woche das Innenministerium erreicht. De Maizière hat bislang offen gelassen, ob er die Ermächtigung erteilen will. „Solche Anfragen werden geprüft und dann entschieden“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Montag. 

Die Grundrechtepartei hatte Ende vergangener Woche Strafanzeige gegen die Berliner Staatsanwaltschaft erstattet, weil diese ihrer Meinung nach die Ermächtigung vom Innenministerium hätte einholen müssen, bevor sie offiziell Ermittlungen gegen Friedrich aufgenommen hat.

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