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Fall Litwinenko: "Alarmierende Beweise" für Verfolgung

Die Affäre um den vergifteten russischen Ex-Spion Alexander Litwinenko zieht möglicherweise weitere Kreise: Litwinenko hat einem Pressebericht zufolge Hinweise zur systematischen Verfolgung von Mitarbeitern des Ölkonzerns Jukos durch die russische Regierung gesammelt.

London - Wenige Wochen vor seinem Tod habe der 43-Jährige einem Jukos-Vize in Israel brisante Unterlagen über die Kreml-Übernahme des russischen Energiekonzerns übergeben, berichtete die britische Tageszeitung "The Times" unter Berufung auf ungenannte Ermittler. Der britische Nordirlandminister Peter Hain räumte ein, die Beziehungen zwischen London und Moskau seien gespannt.

Litwinenko habe in der fraglichen Akte "alarmierende" Beweise darüber gesammelt, was mit Jukos-Mitarbeitern geschehen sei, die sich gegen die Zerschlagung des Konzerns gewandt hatten. Demnach gälten mehrere Menschen aus dem Umfeld des Unternehmens inzwischen als vermisst oder seien unter ungeklärten Umständen verstorben. Andere, wie Ex-Gründer Michail Chodorkowski, seien im Gefängnis gelandet. Litwinenko habe diese Unterlagen dem ehemaligen Jukos-Vize Leonid Newslin übergeben, der aus Russland geflohen sei und mittlerweile in Tel Aviv lebe, berichtete die "Times" weiter. Newslin sagte der Zeitung, Litwinenko habe Informationen über "Verbrechen mit direkter Beteiligung der russischen Regierung" gehabt.

Jukos-Zerschlagung aus politischen Gründen?

Jukos war von dem als Kreml-Kritiker bekannten Unternehmer Chodorkowski gegründet worden. Nach einem Streit um Steuerzahlungen war der Konzern bereits vor rund zwei Jahren de facto zerschlagen und Ende März einem Konkursverwalter unterstellt worden. Beobachter vermuteten dahinter politische Gründe. Chodorkowski verbüßt derzeit eine Haftstrafe in einem sibirischen Straflager.

Hain äußerte sich im britischen Rundfunksender BBC am Sonntag nicht konkret zum Fall Litwinenko. Der Amtsantritt von Russlands Präsident Wladimir Putin habe Hoffnungen geweckt, die überschattet worden seien durch dann folgende Ereignisse. Als Beispiel nannte Hain den "extrem dunklen Mord" an der regierungskritischen Journalistin Anna Politkowskaja im vergangenen Monat.

Gerichtliche Untersuchung

Der Tod Litwinenkos soll ab Donnerstag Gegenstand einer gerichtlichen Untersuchung sein. Das teilte ein Sprecher mit. Die Untersuchung wird in Großbritannien normalerweise bei einem verdächtigen Tod eröffnet und zusätzlich zu den polizeilichen Ermittlungen geführt. Noch am Montag sollte zudem erneut das Sonderkomitee Cobra (Cabinet Office Briefing Room A) zusammenkommen. Innenminister John Reid werde die Beratungen leiten, sagte eine Sprecherin. In dieser Woche sollen Medienberichten zufolge britische Ermittler nach Moskau und Rom fliegen, um dort Nachforschungen über zwei Russen und einen italienischen Informanten anzustellen, die Litwinenko am Tag seiner Vergiftung in London getroffen haben soll.

Drei Wochen nach seiner Vergiftung mit radioaktivem Polonium war Litwinenko am Donnerstag gestorben. In einem Abschiedsbrief hatte er Putin direkt beschuldigt. Der frühere Agent des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB wurde nach seinem Ausstieg zu einem erbitterten Gegner des russischen Staatschefs. (tso/AFP)

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