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Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen und Innenminister Thomas de Maiziere.

© imago/IPON

Fall Netzpolitik.org: Thomas de Maizière, der Sorgenminister

Die Affäre um Netzpolitik.org zeigt: Thomas de Maizière wirkt in keiner guten Verfassung. Entweder er wusste wirklich nichts - oder aber er hat sein Ministerium nicht im Griff. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

In seiner Fraktion, der von CDU und CSU im Bundestag, wird er kritisiert, in seinem Haus, dem Bundesinnenministerium, wird er skeptisch beurteilt – gerade keine gute Zeit für Thomas de Maizière. Vorbei sind die Tage, als in der Union vor allen anderen sein Name genannt wurde, wenn es darum geht, wer Angela Merkel im Kanzleramt nachfolgen könnte. Es kommt noch so weit, dass seine Nachfolgerin im Amt des Verteidigungsministers seine Nachfolge an der Stelle der Nummer 1 nach Merkel antritt. Was angesichts der Unzufriedenheit in CDU und CSU mit Ursula von der Leyen doch einiges besagen will.

De Maizière entwickelt sich zunehmend zum Sorgenminister im Kabinett Merkel. Er, der auch Sportminister ist, kommt nicht in Form. Nicht mehr, sagen manche, durchaus mit Bedauern; und die sitzen in der SPD. Das hat nur wenig damit zu tun, dass ein Kandidat de Maizière Sozialdemokraten einen Wahlkampf einfacher machte.

Groß im Kleinen und klein im Großen

De Maizière ist kein Menschenfänger, ist spröde, mitunter schnoddrig. Die natürliche Sympathie, die den Menschen Merkel so schwer angreifbar macht, zeichnet ihn nicht aus. Doch ist er im Umgang mit Koalitionspartnern ein Partner. Und steht zu seinem Wort. Das wissen Genossen zu schätzen. Wie, nur als Beispiel, Frank-Walter Steinmeier.

Darum geht es aber nicht, nicht mehr. De Maizière ist ja nicht mehr Kanzleramtsminister, eine Rolle, in die er sich auch erst einfinden musste. Am Anfang hieß es, er sei groß im Kleinen und klein im Großen. Eine lebende Büroklammer, lautete der böseste Spruch. Richtig ist, dass de Maizière dem geordneten Gang der Bürokratie vieles abgewinnen kann, das geht bei ihm bis hinein in die Gestaltung von Ministervorlagen im Schriftbild.

Weshalb umso mehr erstaunt, dass offenkundig laxe Bürokratie ihn jetzt ereilt. In einem funktionierenden Ressort hätte der Innenminister von der Anzeige des Verfassungsschutzes – der ihm untersteht –, in Sachen Netzpolitik.org nicht erst nach Wochen aus der Zeitung erfahren. So jedenfalls ist ja die offizielle Lesart. Dann hätte de Maizière, nach stolzem Bekunden der eigentliche „Verfassungsminister“, auch das Gutachten gekannt.

Wie kann es sein, fragen sie nun in Opposition wie eigener Fraktion, dass der Verfassungsminister nicht informiert wird, wenn der Verfassungsschutz glaubt, dass „Staatsgeheimnisse“ im Umlauf sind? Dass de Maizière auch noch als „formal korrekt“ bewertet, nicht im Bilde gewesen zu sein, setzt der Kritik die Krone auf: Wenn er nichts wusste – schlimm. Wenn er doch etwas wusste – noch schlimmer.

Für de Maizière wird es gefährlich

Hier wird es für de Maizière gefährlich. Immer wieder gab es in seinen Verantwortungsbereichen Skandalträchtiges auf unteren Ebenen, und nichts davon hat de Maizière erreicht. Um es neutral auszudrücken. Ob die Drohne oder das Sturmgewehr, die NSA und ihre Ausforschung – der Minister hatte damit nichts zu tun. So wirkt Teflon politisch: Nichts bleibt haften, er bleibt unbehelligt. Selbst seine Kälte in der Flüchtlingsfrage wandte sich nicht gegen ihn.

Bisher. Das kann sich ändern. Wenn de Maizière in der laufenden Affäre immer stärker unter Druck gerät, vielleicht noch seine Staatssekretärin entlassen will. Oder muss. Dann wäre es auch formal korrekt, ihn selbst zur Verantwortung zu ziehen.

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