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Kontrollen brachten es an den Tag: Jede zweite Klinikabrechnung ist fehlerhaft.

© Patrick Seeger/dpa

Falschabrechnungen von Krankenhäusern: Macht Spahns Gesetz alles nur noch schlimmer?

Gesundheitsminister Spahn möchte die Falschabrechnungen von Kliniken verringern. Doch die Kassen fürchten, dass er ihnen bloß Mehrausgaben beschert.

Man kann es ja mal probieren. Weil den Klinikbetreibern in Deutschland für überhöhte Rechnungen bisher keine Strafen, sondern allenfalls Rückzahlungen drohen, sind sie zum Massenphänomen geworden. Jede zweite aller von den Krankenkassen kontrollierten Krankenhausabrechnungen ist inzwischen fehlerhaft. Die Kontrollen der Versicherer haben sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Im vergangenen Jahr wurden mit hohem Aufwand 2,6 Millionen Fälle nachgeprüft, um von den Kliniken am Ende wieder drei Milliarden Euro zurückerstattet zu bekommen. Ein volkswirtschaftlicher Irrsinn.

Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro im nächsten Jahr

Gesundheitsminister Jens Spahn will das nicht länger akzeptieren. Der CDU-Politiker plant effektivere Kontrollen und Sanktionen für die schwarzen Schafe, das entsprechende Gesetz soll noch dieses Jahr verabschiedet werden. Doch die gesetzlichen Versicherer, denen das eigentlich hochwillkommen sein müsste, sind von Spahns Gesetzentwurf alles andere als begeistert. Ohne Änderungen daran werde sich nicht nur nichts verbessern, warnen sie. Spahns Reform werde ihnen sogar noch satte Mehrausgaben bescheren. Die Größenordnung: 1,2 Milliarden Euro allein im nächsten Jahr. Für die Versicherten entspräche das einer Beitragserhöhung um knapp 0,1 Prozentpunkte.

Tatsächlich sieht Spahns Gesetz eigenartigerweise erst einmal ein Entgegenkommen für die Krankenhaus-Betreiber vor. Trotz der hohen Falschabrechnungsquote sollen im nächsten Jahr nur zehn Prozent ihrer Abrechnungen geprüft werden dürfen – das wären deutlich weniger als bisher, denn zuletzt lag die Prüfquote der gesetzlichen Kassen bei 17 Prozent.

Versicherer wehren sich gegen Kontroll-Begrenzungen

Erst ab 2021 soll dann ein neues System nach dem Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche greifen: Kliniken, die in der Vergangenheit besonders oft falsch abzurechnen versucht haben, werden öfter kontrolliert. Bei Häusern, die unauffälliger waren, wäre die Prüfquote niedriger. Die Höchstquoten für Kontrollen lägen dann, je nach Rechnungsqualität der Klinik, bei fünf, zehn oder 15 Prozent.

Solche Vorgaben ärgern die Versicherer. Ein Scoring-Modell setze zwar richtige Impulse, sagte die Vorstandschefin des Verbands der Ersatzkassen, Ulrike Elsner, am Dienstag. Es sei aber „nicht hinnehmbar, dass die Politik den Krankenkassen vorschreiben will, wie viele Rechnungen sie maximal prüfen dürfen“. Insbesondere die Zehn-Prozent-Regelung für alle im Jahr 2020 reiße ein tiefes Loch in die Kassenfinanzen. Sie müsse gestrichen werden.

Der Gesundheitsminister dagegen argumentiert, dass weniger und dafür gezieltere Prüfungen im Sinne der Patienten seien. Sie ließen den Kliniken mehr Zeit für gute Versorgung. Und die Deutsche Krankenhausgesellschaft lobt die geplante Begrenzung der maximal zulässigen Prüfungen als "längst überfällige Intervention des Gesetzgebers gegen den Missbrauch der Einzelfallprüfungen durch einzelne Kassen".

18.000 Euro für ein Baby, weil es zwei Gramm weniger wiegt

Auch die vorgesehene Sanktionsregelung gefällt den Kassen nicht. Zwar sieht Spahns Gesetz für Häuser, die besonders oft falsch abrechnen, saftige Rückzahlungsaufschläge von 25 oder gar 50 Prozent vor. Doch die unauffälligeren gingen bei Falschabrechnungen weiterhin straffrei aus. Außerdem sollen die Sanktionszahlungen nach dem Willen des Ministers pro nachgewiesener Falschabrechnung auf 1500 Euro begrenzt werden.

Wie weltfremd das ist, belegt ein Blick auf die riesigen Summen, die Kliniken schon durch kleinste Falschangaben von den Versicherern ergattern können. Wiegt beispielsweise ein frühgeborenes Kind nur 749 statt 751 Gramm, erhöht sich der Rechnungsbetrag dadurch gleich um rund 18.000 Euro. „Wenn also das Krankenhaus beim Wiegen des Säuglings nicht so genau hinschaut, steigert es seinen Erlös signifikant“, sagt Thomas Bodmer, Mitglied des Vorstands der DAK-Gesundheit. Eine angedrohte Strafzahlung von maximal 1500 Euro würde an einer solchen Verlockung folglich wenig ändern.

Warnung vor Klageflut bei Sozialgerichten

Zudem warnen die Kassen vor einer Klageflut bei den Sozialgerichten. Spahns Entwurf sieht nämlich vor, dass die Versicherer etwaige Rückforderungen nicht mehr mit offenen Rechnungen der Kliniken aufrechnen dürfen. Bei mangelndem Rückzahlungswillen müssten die Versicherer dann jeden ausstehenden Betrag einklagen, befürchtet Elsner – was „in hohem Maße unwirtschaftlich" sei. Von den Folgen für die ohnehin überlasteten Gerichte ganz abgesehen.

Ende 2018 hatte Spahn schon einmal eine beispiellose Klagewelle der Krankenkassen ausgelöst. Damals hatte er den Versicherern die Zeit, um vermeintlich fehlerhafte Rechnungen der Krankenhäuser zu beanstanden, von vier auf zwei Jahre verkürzt. Die gesetzlichen Kassen sahen sich daraufhin gezwungen, vor dem Inkrafttreten dieser Neuregelung schnell noch Klagen einzureichen, um keine Ansprüche zu verlieren.

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