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Politik: Falsche Therapie

Experten bezweifeln, dass Hausarztmodelle die Kassen entlasten und den Patienten helfen

Grundsätzlich hat Klaus Jacobs gar nichts gegen die derzeit so hoch gehaltenen Hausarztmodelle. „Es ist gut, wenn die Akteure des Gesundheitswesens möglichst viele Freiräume haben und sich nicht Schema F vom Ministerium diktieren lassen“, sagt der Leiter des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Was ihn stört, ist der Eindruck, „dass man sich nun gegenseitig überbieten will und ökonomische Segnungen verspricht, die nirgends nachgewiesen sind“. Sprich: Es ist keineswegs gesagt, dass die Krankenkassen sparen können, wenn ihre Mitglieder, wie beabsichtigt, vor jedem Facharztbesuch den Hausarzt konsultieren.

Im Gegenteil. Die Modelle könnten die Kosten in die Höhe treiben. Erstens gehen laut Jacobs schon jetzt 70 bis 80 Prozent der Patienten zuerst zum Hausarzt, ein Doktor- Hopping findet Studien zufolge kaum statt. Den meisten würde also die Praxisgebühr erlassen, obwohl sie ihr Verhalten gar nicht ändern. Zweitens wird sich kaum ein Allgemeinmediziner an den aufwändigen Modellen beteiligen, wenn er dies nicht zusätzlich vergütet bekommt. Drittens benötigen Hausärzte als so genannte Lotsen auch eine besondere Qualifikation – die sie kostenaufwändig erwerben müssen. Und viertens müssten Ärzte und Kassen Strukturen aufbauen, mit denen sie die erhoffte Qualitätssteigerung kontrollieren und sichern. Jacobs: „Ich sehe nicht, wie das gehen soll.“

Auch Jürgen Wasem, Professor für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen, äußert sich skeptisch. In einer Studie vom November 2003 schreibt er, es sei „nicht zu erkennen, wie die derzeit tätigen Hausärzte kurz- oder auch mittelfristig flächendeckend die enormen Qualifikationsanforderungen für ein Hausarztmodell erfüllen sollen“. Vielmehr bestehe die Gefahr, dass Kassen diese Art der Versorgung nur „als Marketing- beziehungsweise Selektionsinstrument einsetzen“. In den Niederlanden stecke ein vergleichbares Modell in der Krise. Der Grund: Bevormundung der Patienten und Überlastung der Hausärzte.

Wenn überhaupt, machten sich die Modelle nur langfristig über wirkliche Qualitätsverbesserung bezahlt, sagt Jacobs. Durch bessere Arzneiverordnung oder weniger Klinikeinweisungen. Die „oberflächlichen Versprechungen, die vom Ministerium noch angeheizt werden“, ließen anderes befürchten: Schnellschüsse, die den Beitragszahler teuer zu stehen kommen.

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