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Familie

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Familienpolitik: Der Krippenplatz als "Lotto-Gewinn"

Seit einem Jahr gibt es das neue Elterngeld. Doch bei den Betreuungsangeboten sieht es in Deutschland weiterhin alles andere als rosig aus - und der Bedarf wächst.

Hinrich Senf ist noch etwas wackelig auf den Beinen. Der blonde Knirps aus Hannover hat im Januar seinen ersten Geburtstag gefeiert. Seine Mutter Sascha gehört zu den ersten Frauen, die ein Jahr lang das 2007 eingeführte Elterngeld bekommen haben. Über diese finanzielle Unterstützung ist die 31 Jahre alte Sprachtherapeutin voll des Lobes, aber wenn es um die Betreuung für Hinrich geht, verdüstert sich ihre Miene. "Da sieht es sehr mau aus", sagt sie ernst. Zwar haben sich Bund und Länder auf einen massiven Ausbau des Betreuungsangebotes bis 2013 verständigt, doch davon merken die Eltern im Jahr 2008 noch wenig.

Händeringend hat Sascha Senf einen Platz für Hinrich gesucht. Aber die Wartelisten für Krabbelgruppen in Hannover sind lang. "Wir haben zum Beispiel in einer Einrichtung, wo 27 Plätze zur Verfügung stehen, 200 Kinder auf der Liste", berichtet die Sprecherin der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Gaby Kujawa. Eltern, die einen Platz ergattern wollen, müssen hartnäckig sein - und vor allem sehr früh dran. "In den städtischen Krippen muss man sich anmelden, wenn man schwanger ist. Das wusste ich nicht", erklärt Senf. "Mir wurde dann gesagt: Sie können sich gerne noch anmelden, aber die Chancen stehen schlecht." Die 31-Jährige berichtet von Gesprächen mit Erzieherinnen, die erzählten, sie verwalteten "die Plätze wie einen Lotto-Gewinn". Sogar Geld werde gelegentlich von Eltern geboten.

Warten auf den Startschuss

2013 sollen bundesweit rund 35 Prozent der Unter-Dreijährigen eine Krippe besuchen oder von einer Tagesmutter betreut werden können. Zur Schaffung der zusätzlichen Plätze stellt der Bund insgesamt vier Milliarden Euro zur Verfügung. Der Startschuss zum Ausbau der Krippen ist aber längst noch nicht in allen Bundesländern gefallen. Häufig fehlen die sogenannten Verwaltungsvereinbarungen, mit denen die Verteilung der Bundes-Gelder in die einzelnen Kommunen geregelt werden sollen. Vorreiter ist Bayern, wo die Städte und Gemeinden die Mittel schon abrufen können. "Alle anderen sind in der Endphase der Gespräche", heißt es beim Deutschen Städte- und Gemeindebund.

Getrieben werden die Städte und Gemeinden von einer steigenden Nachfrage. Die Statistiker registrierten, dass in den ersten neun Monaten 2007 erstmals seit zehn Jahren in Deutschland wieder mehr Kinder geboren wurden. Bevölkerungs-Forscher und auch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) interpretierten das als positive Folge des Elterngeldes. Mehr Babys bedeuten aber auch mehr benötigte Betreuungsplätze - und das möglichst schnell. "Was wir beobachtet haben, ist, dass sich der - ohnehin schon immer hohe - Bedarf an Betreuungsplätzen für Kinder ab einem Jahr massiv erhöht hat", sagt AWO-Sprecherin Kujawa.

Eltern helfen sich selbst

Die junge Mutter Senf beklagt, dass es sehr schwierig sei, sich einen Überblick über die Angebote zu verschaffen. Sie vermisst einen zentralen Ansprechpartner - etwa bei der Stadt -, der Auskunft über freiwerdende Plätze geben kann. "Es ist anstrengend, das rauszufinden. Und es ist auch kaum nachvollziehbar, wie die Plätze vergeben werden. Da zählt der Nasenfaktor." Für Hinrich hat sie schließlich einen Platz in einer privaten Elterninitiative gefunden. Nahtlos klappt der Anschluss an das auslaufenden Elterngeld jedoch nicht, der Platz wird, wie allgemein üblich, erst zum Sommer frei. Senf ist trotzdem froh, eine Perspektive zu haben. "Aber es war Stress pur." (küs/dpa)

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