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Politik: Fanatisch – aber kritisch

Von Lorenz Maroldt Fußball ist eine Zumutung. Wer als Fan ins Stadion geht und nicht zufällig wichtig oder wenigstens Politiker ist, wer also keine Logenkarte besitzt, der muss das Leiden lieben.

Von Lorenz Maroldt

Fußball ist eine Zumutung. Wer als Fan ins Stadion geht und nicht zufällig wichtig oder wenigstens Politiker ist, wer also keine Logenkarte besitzt, der muss das Leiden lieben. Findet keinen Parkplatz, zwängt sich in Busse, wird von Ordnern betatscht, mit Senf bekleckert – und eingesperrt. Zahlt viel fürs Würstchen, zu viel fürs Spiel, trinkt schlabbriges Bier, steht dafür noch an und verpasst den Anpfiff. Der Fan vorm Fernseher leidet dagegen gemütlich – aber erst, wenn schon alles vorbei ist. Live dabei ist nur, wer viel zahlt - zurzeit an Premiere, demnächst: an wer weiß wen.

Schlecht behandelt im Stadion, spät bedient vor dem Bildschirm: Die machen was mit, die Fans. Aber das Seltsame ist ja: Sie machen es wirklich mit! Und wie: Zehn Millionen Zuschauer sind in der gerade beendeten Saison in die Stadien der Erstligavereine geströmt.

Dabei ist Fußball für die meisten Fans mit großer Enttäuschung verbunden, Jahr für Jahr, mal mehr, mal schlimmer. Nur eine Mannschaft wird Meister, eine gewinnt den Pokal. Die meisten veröden im Mittelfeld, steigen gar ab. Am Ende, was bleibt ihm auch sonst, weint der Fan. Und stimmt dann doch seinen Urlaub und die Familienfeiern wieder mit dem Ligaplan ab, bekommt feuchte Hände, wenn die Anstoßzeit naht. Spinnt der?

Die großen Gefühle: Die Hoffnung, der Rausch, der Trotz und die Treue, das alles ist stärker zu spüren denn je. Es gibt dafür mindestens elf gute Gründe, aber jeder davon zielt knapp daneben. Fest steht: Fußball ist keine Mode wie Tennis, Fußball lässt sich einfach nicht verderben. Denn Fußball hat starke Verbündete: die Fans. Wer an die gesunde Substanz gehen will, wird von ihnen bestraft, die Pleite von Kirch hat es gezeigt. Als „ran" zu Beginn der Saison die Spielberichte erst am Abend brachte, um das „Premiere"-Geschäft zu befördern, wurde diese Zumutung mit Erfolg boykottiert. Die Substanz lässt sich auch nicht inflationieren. So sind in der Champions League die schier endlosen Gruppenspiele und das Zwischenrundengeplänkel echte Quotenkiller.

Die Fans sind starke, aber kritische Verbündete. Sie wissen, dass guter Fußball viel wert und teuer ist. Sie gönnen den besten Spielern die besten Gehälter, weil sie sich darüber so schön empören dürfen. Aber alles lassen sie nicht mit sich machen. Grobe Änderungen der Regeln, größere Tore etwa oder Viertelpausen für noch mehr Werbung, wären ein Steilpass ins Abseits. Mit ihren Protesten gegen die immer gröbere Verzerrung der Spieltage haben die Fans gezeigt, dass mit ihnen weiter zu rechnen ist.

Jetzt aber ist erstmal wieder alles vorbei. Fast. Wir haben ja noch das Endspiel um den UEFA-Cup vor uns, auch das in der Champions League, einmal mit Dortmund, einmal mit Leverkusen. Dann noch das Pokalfinale (wo der Meister der Herzen auf den Meister der Schmerzen trifft). Noch was? Ach ja, die Weltmeisterschaft in Japan und Korea. Noch so eine Zumutung. Gespielt wird nach unserer Uhr von morgens bis mittags, natürlich während der Arbeitszeit. Das wird für vier Wochen unser Leben verändern, das Bruttosozialprodukt landet im Keller. Der Kanzler wird es ertragen, mit Begeisterung. Er ist ja selber Fan. Heute ganz besonders von Dortmund. Einmal Deutscher Meister ist er jetzt schon.

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