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Der britische Premier Boris Johnson bei einer Pressekonferenz in seinem Amtssitz im vergangenen Monat.

© dpa

Fast wie bei Lady Diana: Boris Johnsons Krankheit markiert für die Briten einen Einschnitt

Boris Johnson wird auf einer Intensivstation behandelt. Der Zustand ihres Premierministers rüttelt auch am Selbstverständnis der Briten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Noch Anfang März brüstete sich Boris Johnson damit, dass er in einem Krankenhaus Covid-19-Patienten die Hände geschüttelt habe und gedenke, dies auch weiterhin zu tun. Der britische Premierminister mag damit den Erwartungen der Briten entsprochen haben. 

So wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei seinen Landsleuten einen Nerv traf,  indem er dem Coronavirus den „Krieg“ erklärte, glaubte Johnson in seiner Amtsführung das ur-britische Motto vorleben zu müssen: Keep calm and carry on.

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Jetzt wird Boris Johnson, der hoffentlich bald wieder gesund wird, auf der Intensivstation des St. Thomas‘ Hospital in London behandelt. Dies zeigt einmal mehr, dass das Virus keineswegs unterschätzt werden darf. 

In Frankreich ließ der Elysée-Palast die Öffentlichkeit schon Mitte März wissen, wie ihr „Kriegs“-Präsident in seinem Pariser Amtssitz gegen das Risiko einer möglichen Infektion geschützt wird. Die Botschaft derartiger Berichte für die Öffentlichkeit war: Bleibt wenn möglich zu Hause. Verfallt nicht in Panik, aber seid vorsichtig.

Die aktuellen Ereignisse zum Coronavirus

Während die Grenzen wieder undurchlässiger werden und sich in Europa – und auch Großbritannien gehört geographisch dazu – die Nationen zu Hause einigeln, sucht das politische Führungspersonal überall nach der richtigen Ansprache. Der Vergleich mit dem Zweiten Weltkrieg wird häufiger bemüht, auch Kanzlerin Angela Merkel hat davon schon Gebrauch gemacht.

Der Zweite Weltkrieg als Symbol

Im Fall Großbritanniens, wo die Queen in ihrer Rede am vergangenen Wochenende auf den Durchhaltewillen des Inselvolks während des Zweiten Weltkriegs anspielte, hat der historische Rückgriff auf diese Epoche noch eine zusätzliche Bedeutung. Der Zweite Weltkrieg steht im Gedächtnis der Briten für Selbstbehauptung und für unbedingte Verteidigungsbereitschaft.

Polizist vor dem St. Thomas Hospital, in dem Boris Johnson behandelt wird
Polizist vor dem St. Thomas Hospital, in dem Boris Johnson behandelt wird

© DANIEL LEAL-OLIVAS / AFP

Wie leicht sich diese Reflexe bis heute neu beleben lassen, zeigte vor knapp drei Jahren der Kriegsfilm „Dunkirk“. Damals, ein Jahr nach dem historischen Brexit-Votum, galt der Film vielen Briten auch als Metapher für insulare Überlebensfähigkeit. Der Schauspieler Kenneth Branagh spielt darin die Rolle des Kommandeurs, der unerschrocken die Stellung hält.

Die Stellung halten – das war wohl auch der Gedanke von Premierminister Johnson, der sich vor allem in Wahlkampfzeiten in seinem Habitus immer wieder am Weltkriegs-Premier Winston Churchill orientiert hat. Statt sich zu schonen, hat er trotz seiner Infektion in der Dienstwohnung die Amtsgeschäfte weitergeführt. Drei Monate nach seinem Triumph bei der Unterhauswahl glaubte er wohl, sich und den Briten dies inmitten der gewaltigen Herausforderung der Corona-Krise schuldig zu sein.

Einschnitt für die Briten

Die Behandlung ihres Premierministers in einer Intensivstation markiert für die Briten einen Einschnitt. Während sie um ihren Premier bangen, kommt es erneut auch zu einer Selbstbesinnung, die an die Zeit nach dem Unfalltod von Prinzessin Diana erinnert. Auch damals wurde den Menschen im Vereinigten Königreich bewusst, dass Emotion und Mitgefühl oft weiterhelfen als die berühmte „steife Oberlippe“.

Der Parlamentarische Staatssekretär James Duddridge und die Gesundheitspolitikerin Nadine Dorries erklärten, dass Boris Johnson jetzt Ruhe brauche und dass andere für ihn einspringen müssen. Derartige Botschaften, frei von machtpolitischen Hintergedanken, sind sehr willkommen in diesen Tagen.

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