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FDP-Chef Christian Lindner

© Georg Ismar

FDP-Chef unterwegs: Christian Lindner und die Klima-Profis

Für FDP-Chef Christian Lindner dreht sich die Klimadebatte vor allem um Verbote. Innovative Ansätze seien bei Entscheidern hingegen gar nicht bekannt.

Christian Lindner ist unterwegs, auf der Suche nach Profi-Lösungen für den Klimaschutz, liberale Profilschärfung, seine Antwort auf die sich aus seiner Sicht nur um Verbote und Verzicht drehende Klimadebatte. „Die innovativen Ansätze sind bei politischen Entscheidern oft gar nicht bekannt und werden daher gar nicht als Alternative angesehen.“ Doch das beschreibt auch sein eigenes Problem, die FDP hat es enorm schwer, in der Debatte durchzudringen – und wird sogar gefragt, was er denn an Stelle der Grünen machen würde, einen Kanzlerkandidaten aufstellen ja oder nein? Robert Habeck und Annalena Baerbock und ihre Konzepte werden kaum kritisch hinterfragt, während Lindner immer wieder Zielscheibe von Häme ist – besonders in der Klimadebatte.

In gewisser Weise hat Lindner ja recht. In der Umwelt- und Klimadebatte muss immer wieder nach neuen, innovativen Lösungen gesucht werden. Das passiert aktuell zu wenig.

schreibt NutzerIn Gophi

„Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen. Das ist eine Sache für Profis“, hatte er im März in einem Interview gesagt. Mit Blick auf die Fridays-for-Future-Bewegung. Er hatte das mit den Profis nicht auf die Politiker bezogen, sondern auf Leute wie Christian von Olshausen und Nils Aldag, die bereits mit großen Playern wie dem Stahlwerk Salzgitter und Mineralölunternehmen zusammenarbeiten.

Es braucht gehobene Chemiekenntnisse, um zu verstehen, wie genau die Umwandlung von Windstrom in Öko-Benzin oder Öko-Kerosin funktioniert. „Man muss das Gesichtsfeld weiten“, sagt Lindner. Denn auch Verbrennungsmotoren werden noch 2030 unterwegs sein, ebenso Flugzeuge. Statt immer mit Verboten und Verzicht zu hantieren, ist er für mehr Technologieoffenheit, alternative Wege – doch bei den synthetischen Kraftstoffen wird von Kritikern mit Horrorpreisen von 4,50 Euro pro Liter Stimmung gemacht, Sunfire sieht mittelfristig lediglich einen Euro als möglichen Literpreis an.

Eigenregulierung, freiwillige Selbstbeschränkung etc. hat uns leider direkt in die Klimafalle manövriert. [...] Wenn man den Wissenschaftlern glauben schenken kann, dann ist nur noch ein allumfassendes, globales Umsteuern erfolgsversprechend.

schreibt NutzerIn matze0106

Und die EU-Kommission legt nach Angaben des Unternehmens bisher Steine in den Weg, statt offensiv die Methode zu fördern. Lindner spielt gerne mit dem Zitat, das ihm viel Ärger einbrachte, zu dem er aber steht. Er sieht zu viel plakative Politik, ein Beispiel: das Festlegen eines Ziels von einer Million E-Autos bis 2020 in Deutschland. „Das haben Nicht-Profis festgelegt.“

"Wir brauchen mehr Technologieoffenheit"

Daher ist Lindner, braungebrannt zurück aus einem Ibiza-Urlaub, vor der Landtagswahl in Sachsen und Brandenburg am 1. September bewusst bei denen unterwegs, die neue Alternativen beim Klimaschutz aufzeigen – es ist auch der Versuch, der grünen Welle und dem smarten Habeck etwas entgegenzusetzen. Lindner meint, wenn sich politisch nichts ändere, sei die Sache mit den synthetischen Kraftstoffen, tragischerweise ein „totes Gleis“. „Wir brauchen mehr Technologieoffenheit.“ Er steht aber auch intern in der Kritik: Die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Ria Schröder, fordert deutlich mehr Engagement, „machen wir die FDP zur modernen Klimaschutzpartei“, fordert sie.

Die FDP will die Emissionen durch Ausweitung des Handels mit Verschmutzungsrechten drosseln, dass also CO2 stärker bepreist wird und so marktwirtschaftliche Anreize geschaffen werden, um klimaschonender zu produzieren – statt pauschal neue CO2-Steuern zu verordnen.

Gegen Diesel-Fahrverbote in Innenstädten wird Lindner im brandenburgischen Wald bei Bestensee fündig. In Gewächshäusern können bei dem Unternehmen Green City Solutions bis zu 3000 Moosmatten gezüchtet werden, die mit einer ausgeklügelten Technik in sogenannten City Trees Feinstaub aus der Luft ansaugen und herausfiltern. Feuchtes Moos kann Feinstaub so zerlegen, dass er zu Biomasse umgewandelt wird, wo die meterhohen Mooswände stehen, kann die Luft bis zu 80 Prozent sauberer werden.

Moos ist sehr langlebig, fünf bis zehn Jahre kann man damit arbeiten. Lindner war gerade Seoul und weiß daher, wie große dort die Feinstaubprobleme dort im Vergleich zu Deutschland sind. Aber im Idealfall können die Moos-Filter Fahrverbote vermeiden. „Hochskalieren“, sagt Unternehmensgründe Peter Sänger immer wieder – doch dazu braucht es mehr Geld. Lindner kritisiert mehrfach, dass Lebensversicherer und Versorgungswerke nur in Immobilien („Steinen“) und Staatsanleihen ihr Geld anlegen - statt in solchen innovativen Unternehmen - dann könnten die Moos-Filter vielleicht schneller im großen Stil produziert werden. Und die Renditen könnten hier hoch sein.

Christian Lindner könnte Vizekanzler sein, vielleicht hätte es bei einer Jamaika-Koalition nie den Grünen-Höhenflug gegeben. Sein lieber „nicht regieren, als falsch regieren“ hängt ihm bis heute nach, er hat die FDP aus der „APO“ wieder in den Bundestag gebracht, bei 8 bis 9 Prozent stabilisiert, aber ein ehrgeiziger Mensch wie er könnte sich ohne Ministeramt auf Dauer unterfordert fühlen. Auch wenn er energisch bestreiten würde, morgens beim Rudern auf dem heimischen Rudergerät, darüber nachzudenken.

Sechs Jahre ist er nun Vorsitzender, trotz der neuen Generalsekretärin Linda Teuteberg und aufstrebenden Abgeordneten wie Konstantin Kuhle ist die FDP öffentlich in vielem eine One-Man-Show. Aber Lindner lässt keinen Zweifel daran, dass seine Partei bereit sei, wenn die große Koalition noch in diesem Jahr zerbrechen würde. Und dass dann auch das Klimathema nochmal etwas anders diskutiert und entschieden würde.

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