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Westerwelle

© dpa

FDP: Königsmacher

Die FDP hilft der Union zu einer soliden Mehrheit in Hessen. Den Liberalen ermöglicht das neue Möglichkeiten - auch im Bund.

Von Antje Sirleschtov

Als der Chef kurz nach sechs die Bühne in der FDP-Zentrale in Berlin-Mitte betritt, sieht er aus, wie ein Junge, der gerade zum Geburtstag ein Motorrad geschenkt bekommen hat. So ein windschnittiges, mit dem man rasant herumdüsen kann. "Das ist ein großer Tag für Hessen", sagt Guido Westerwelle und reckt die Arme nach oben.

Aber das ist nicht alles. Westerwelle sagt auch, und zwar gleich darauf: "Und es ist ein Auftakt nach Maß für Deutschland." Nach Maß? Aha: Der FDP-Chef weiß also, bei aller Freude über das große Geschenk, dass er damit vorsichtig umgehen muss. Weil: Schwere Maschinen, mit denen man gedankenlos umgeht, die können gewaltigen Schaden anrichten. Und Schaden aus Übermut, an den kann sich - Stichwort "Projekt 18" - in der FDP so mancher leidvoll erinnern.

Mit einem ordentlichen zweistelligen Ergebnis hatte die FDP bei dieser zweiten Landtagswahl binnen Jahresfrist in Hessen durchaus gerechnet. Dass es dann gut 16 Prozent wurden, ließ Jubelstürme ausbrechen. In Hessen, wo der Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn, sonst eher ein wenig impulsiver Typ, mit breitem Lachen die Glückwünsche seiner Parteifreunde entgegennahm. Und auch in Berlin, wo die FDP keinen besseren Start in dieses von Wahlen so volle Jahr hätte finden können.

Keine Frage: Eine Beteiligung der FDP an der Landesregierung in Hessen ist nicht nur ein Sieg für die Liberalen unter FDP-Landeschef Hahn. Schwarz-Gelb in Wiesbaden führt auch für die FDP im Bund zu einem gewaltigen Bedeutungsgewinn. Zumal, wenn das Wahlergebnis für die CDU so mager und das der FDP so überzeugend ausfällt. Mit dieser Anerkennung wächst in erster Linie der Einflusses auf die Länderkammer. Denn Westerwelles Truppen werden in den fünf größten und finanzstärksten Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und nun Hessen) mit der CDU regieren und damit Einfluss auf die noch anstehenden Entscheidungen im Bundesrat gewinnen. Wann immer die große Koalition in den noch verbleibenden Wochen Pläne schmiedet, für deren Umsetzung sie den Bundesrat benötigt, wird Westerwelle - wenn auch unsichtbar - mit am Tisch sitzen.

Sein Erpressungspotenzial - ohne FDP-Zustimmung erwarten alle Gesetze den zeitraubenden Gang in den Vermittlungsausschuss - muss Westerwelle zwar dosiert und vorsichtig einsetzen. Blockaden kommen beim Wähler nicht gut an, zumal, wenn es, wie beim Konjunkturpaket II, um die Rettung Deutschlands geht. Aber das weiß der FDP-Boss offenbar. Er verspricht schon seit Tagen in jedes Mikrofon, dass er nicht übermütig werden wird. Von "staatsbürgerliche" Pflicht und "Patriotismus" spricht er.

Aber er spricht auch davon, dass er die nun hinzugewonnenen Möglichkeiten nutzen wird. Mit seinen dann fünf stellvertretenden Ministerpräsidenten will Westerwelle ein Gesellenstück abliefern und sich so als verantwortungsbewusster, durchsetzungsfähiger Koalitionspartner den Wählern empfehlen. Das Stück geht in etwa so: Die FDP sorgt für ein, im liberalen Sinne, besseres Konjunkturpaket II, aber sie stellt nationale vor Parteiinteressen. Insbesondere Steuersenkungen wollen die Liberalen einen größeren Raum im großkoalitionären Konjunkturprogramm einräumen. Zuerst will sich FDP-Fraktionschef Westerwelle in den nun beginnenden Bundestagsverhandlungen um das 50-Milliarden-Paket als geschickter Verhandler und Stratege profilieren. Sein Argument gegenüber der Kanzlerin: Je mehr unserer Forderungen im Paket stehen, wenn es den Bundestag verlässt, umso rascher wird das Rettungspaket den Bundesrat passieren - ohne zähes und langwieriges Vermittlungsverfahren. Mehr Steuersenkungen, das ist klar, sollen in das Paket, und auch eine konkretere Schuldenbremse. Schon am kommenden Mittwoch wird Westerwelle seine Forderungen auf den Tisch legen. Wenn er zum Mittag verabredet ist mit der CDU-Chefin und Kanzlerin Merkel.

Aber nicht nur die Bundesländer haben erfahrungsgemäß in Gesetzgebungsverfahren, bei denen es um viel Geld geht, eigene Interessen, die die FDP nun geschickt ausnützen kann. Diesmal kommen noch weitere - sozusagen "versteckte" Liberale - hinzu: Bundestagsabgeordnete nämlich, die am Konjunkturpaket II inhaltlich in die gleiche Richtung zielen wie die FDP. Und die sitzen nunmal ausgerechnet in der Partei der Bundeskanzlerin. Beinahe ideale Voraussetzungen also für die FDP, gleich zu Beginn des Wahljahres scheinbar selbstverständlich und ohne lautes Geschrei aus der Oppositionsrolle herauszuwachsen. Nah bei Angela Merkel, der CDU-Wunschpartnerin für eine Koalition ab Herbst 2009. Aber auch nicht weit entfernt von dem zweiten möglichen Koalitionspartner, der SPD, deren Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier der FDP-Chef mit Respekt begegnet. Man weiß ja nie, ob man nicht vielleicht doch am 28. September nach der Bundestagswahl in einem Boot sitzt. Denn den gleichen Fehler wie 2005, als Westerwelle seine Partei fest an die Seite der CDU gebunden hat und dann mit ansehen musste, wie die trotz schlechter Wahlergebnisse in die Regierung einzog, die FDP aber draußen blieb, wird er nicht noch einmal machen. Ob das Hessen-Ergebnis schon ein Vorgeschmack auf Schwarz-Gelb und eine Absage an eine rot-gelb-grüne Ampelregierung im Bund sei, wurde Westerwelle am Wahlabend in der Berliner Parteizentrale gefragt. Und was macht er? Grinst spitzbübig, wie ein kleiner Junge am Geburtstag.

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