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Parteifreunde - was immer das heißen mag: FDP-Vorsitzender Rösler und Außenminister Westerwelle.

© dpa

FDP-Krise: Der Schüler gibt den Lehrer

Rösler contra Westerwelle: Die FDP wird Zeuge eines Kleinkriegs zwischen ihrem neuen Vorsitzenden und seinem Vorgänger.

Von Antje Sirleschtov

Es ist keine vier Wochen her, da präsentierte sich Philipp Rösler der erstaunten Öffentlichkeit in der Pose des harten Kämpfers. Für ein Zeitungsinterview ließ sich der sonst so sanftmütig auftretende FDP-Vorsitzende mit signalroten Boxhandschuhen, aufgerollten Hemdsärmeln und grimmigem Gesicht ablichten. Klare Botschaft: Hier steht kein Weichling an der Spitze der FDP, hier ist einer, der mit offenem Visier seinem Gegner im Ring entgegentritt.

Drei Tage lang traf sich dieser Tage die Spitze der Liberalen im nordrhein-westfälischen Bensberg zur Klausur. Doch statt ungestört über neue politische Inhalte oder die Rettung des Euro beraten zu können, wähnten sich die Teilnehmer plötzlich und unerwartet in der Zuschauerrolle eines nicht enden wollenden Ringkampfes. Ihr Parteivorsitzender gegen seinen Amtsvorgänger, Außenminister Guido Westerwelle. Der Neue gegen den Alten. Nur dass in diesem Kampf weder Glocke noch Ringrichter und schon gar keine Boxhandschuhe zu sehen sind. Philipp Rösler wählt in dieser Auseinandersetzung ganz offensichtlich andere Waffen: Er beteuert fortgesetzt, es gebe gar keine Auseinandersetzung mit seinem Gegner. Parallel dazu untergräbt er die Autorität seines Gegners, immer wieder. Und lächelt.

Ob Philipp Rösler vorige Woche bereits geplant hatte, die erste Gelegenheit zu nutzen, die ihm der Außenminister durch seine verstörenden Kommentare über den Anteil der Nato-Truppen an der Niederschlagung des Gaddafi-Regimes in Libyen bot, und ihn kurzerhand aus dem Amt treiben wollte, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Dass es nicht sein Ziel war, behauptet sein Umfeld standhaft. Und doch nannte der FDP-Vorsitzende Westerwelle einen Minister auf „Bewährung“. Wie einen Schuljungen, der ohne weitere Diskussion aus dem Internat geworfen wird, wenn er sich das nächste Mal danebenbenimmt.

Lesen Sie auf Seite zwei: Punktsieg für Rösler.

Und das einem Mann wie Westerwelle, Ende 40, ehrpusselig und bis ins Groteske auf das eigene Bild in der Öffentlichkeit achtend. Er musste die Herabsetzung als Minister auf Abruf von Röslers Gnaden als Frechheit seines zehn Jahre jüngeren Nachfolgers verstehen. Wer Westerwelle kennt, weiß, dass er in Augenblicken persönlicher Betroffenheit zu übertriebener Darstellung eigener Gelassenheit neigt. Am Montag dieser Woche sah man einen besonders fröhlichen Amtschef internationale Diplomaten in Berlin begrüßen: Punktsieg für Rösler in Runde eins. Runde zwei in diesem Fight der Zermürbung hat der FDP-Vorsitzende am Dienstag eingeläutet. Weil sich Fraktionschef Rainer Brüderle dagegen gesträubt hatte, die Bensberger Klausurtagung zum Ort der Amtsenthebung Westerwelles zu machen, trat der Parteivorsitzende am Nachmittag vor die Kameras und erklärte, nun schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage, dass es keine Personaldebatte mehr um den Außenminister gebe. Allerdings nicht ohne denselben noch einmal vor aller Augen zu demütigen. Er, der FDP-Vorsitzende, sagte Rösler ohne jede erkennbare Emotion, habe in der Diskussion über den Militäreinsatz in Libyen den Kurs vorgegeben. Und Westerwelle? Der sei „dieser Linie klar gefolgt“. Ein Affront. Rösler hatte ihm vor vier Monaten das Amt des Parteivorsitzenden genommen, ihn am Kabinettstisch vom Platz des Vizekanzlers verdrängt – und zwar bei einen sonntäglichen Telefonat. Nicht einmal Aug in Aug wurde das jahrelange Alphatier der FDP von Rösler herabgesetzt. Und nun teilt derselbe ihm auch noch per Interview mit, dass er fortan sogar die Linie seiner Politik im Außenamt vorgeben will?

Als der so Geschmähte sich am Dienstag im Kreis der Klausurteilnehmer zu später Stunde nach einer längeren, nach Darstellung von Teilnehmern auch sehr persönlichen Erklärung setzte, kamen selbst ausgewiesene Westerwelle-Kritiker unter den Zuhörern nicht umhin, ihm zu applaudieren.

Lesen Sie weiter: Warum Westerwelle nicht zurücktreten will.

Doch Westerwelle will nicht zurücktreten. Sein Umfeld wenigstens zeichnet das Bild eines Standhaften. Auch wenn die Frage unbeantwortet bleibt, wie ein so gedemütigter Außenminister bei Besuchen im Ausland die notwendige Autorität des Amtsinhabers ausstrahlen soll.

Versuch einer Gegenwehr: In der Bundespressekonferenz beeilte sich Westerwelles Sprecher am Mittwoch, in sachlichem Ton darzustellen, dass die Richtlinien der Außenpolitik von der Kanzlerin – also keinesfalls vom Chef der FDP – vorgegeben werden und jeder Minister im Bundeskabinett sein Haus „eigenverantwortlich“ führe. Doch auch die Demütigung aus Runde zwei hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Am Donnerstag trat der Außenminister im Schloss Bensberg vor die Kameras, um eine möglichst rasche Freigabe von gesperrtem Auslandsvermögen des Gaddafi-Clans zu verlangen und die Hilfe Deutschlands für den Aufbau in Libyen anzubieten. Da fragte ihn ein Journalist plötzlich, ob er, Westerwelle, diese Frage mit dem Richtliniengeber Rösler abgesprochen habe. Westerwelle presste die Fingerkuppen beider Hände so fest aufeinander, dass diese plötzlich ganz weiß aussahen.

Und der Kampf im Schatten nimmt weiter seinen Lauf. Runde drei startete Philipp Rösler am Donnerstag. Da wurde der Inhalt eines Interviews im Spiegel-Online-Portal bekannt. Darin, nichts Neues mehr, rückte Rösler seinen Widersacher erneut ins „Team“ der FDP-Führung. Und bescheinigte ihm dann, wie ein Oberlehrer seinem Schüler nach wiederholten Verfehlungen und schlechten Noten, er habe „positives Potenzial“. Die schwarze Limousine des Außenministers hatte in diesem Augenblick gerade den Schlosshof in Bensberg verlassen.

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