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FDP nach Wahldebakel: Es gilt die Unschuldsbehauptung

Ein Debakel sucht einen Verantwortlichen. Westerwelle und Brüderle wollen es nicht sein – das machten die FDP-Gewichtigen noch mal klar.

Von Antje Sirleschtov

In diesem Sommer wird Rainer Brüderle 66 Jahre alt. Zeit zu gehen, könnte man meinen, für einen FDP- Landeschef, dessen Partei es in Rheinland-Pfalz nicht mehr in den Landtag schafft. Und tatsächlich: Am Montagabend zieht Brüderle die Konsequenz. Gemeinsam mit seinem ganzen Landesvorstand tritt er in Mainz zurück. Es muss sich etwas ändern nach diesem Debakel. Und Brüderle, der seit 28 Jahren die FDP in Rheinland-Pfalz angeführt hat, macht Platz für Neues. Wenn im Mai in Mainz gewählt wird, will er nicht mehr dabei sein. Brüderle hat offenbar verstanden.

Nur zum Sündenbock für alle Fehler der Liberalen, dazu will sich der Bundeswirtschaftsminister nicht abstempeln lassen. Und schon gar nicht zum Bauernopfer für den Parteivorsitzenden. Mag sein, dass es eine Eselei war, zwei Wochen vor der Wahl die Atompolitik der schwarz- gelben Koalition in Zweifel gezogen und der eigenen Partei damit geschadet zu haben. Doch dafür sich opfern lassen? Damit am Ende ausgerechnet Westerwelle einfach weitermachen kann, als sei nichts geschehen. Das kommt für Brüderle nicht in Frage.

Noch in der Nacht zum Montag ist Brüderle nach Berlin gereist. Hier treffen sich Parteipräsidium und Bundesvorstand. Hier werden die Schlachten um die Verantwortung für das Debakel in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz geschlagen. Hier will Brüderle kämpfen. Um seine Ehre, um sein Amt. Er fühlt sich als einer der letzten Marktwirtschaftler in diesem Land. Steuersenkung, Mittelstand, Atomkraftwerke: Brüderle steht dafür. Für Eierei und Umfallerei, glaubt Brüderle, steht Westerwelle. Jetzt heißt es, Verbündete suchen, den Gegner in Schwierigkeiten bringen. Das wäre doch gelacht. Bevor man ihm sein Amt als Wirtschaftsminister nimmt, gehen andere.

Keine 20 Minuten hat Brüderle an diesem Montag gebraucht, um dem engsten Führungszirkel der FDP – und auch Guido Westerwelle – klarzumachen, dass er zum schnellen Opferlamm nicht taugt. Und er musste dabei noch nicht mal besonders deutlich werden. Allein der Hinweis reichte aus, dass nicht er vor knapp zwei Wochen den klaren Kurs der FDP in der Atompolitik umgeschmissen hatte. Musste er Westerwelles Namen nennen, auf dessen Verantwortung hinweisen? Nein. Jeder in der Parteiführung wusste, was und wen er meinte.

Es geht um den Markenkern der FDP. Und es geht um die Frage, ob Parteichef Westerwelle die FDP-Inhalte, mit denen die Parteri 2009 die Wahl so glänzend gewonnen hat, in den letzten Monaten verraten hat. Mal, weil es ihm sinnvoll erschien. Mal, weil er keinen Ärger mit der Kanzlerin haben wollte. Gefragt hat er seine Leute nie.

So was kostet Ansehen, Glaubwürdigkeit und Stimmen. In der Vorstandssitzung wird auch Hermann-Otto Solms darüber sprechen. Auch er wird die Kernzerstörung beklagen. Nämlich die seines Steuersenkungskonzepts. Solms wird nicht der einzige Kritiker bleiben.

Es ist wahrlich kein guter Montag für die Partei, die in den vergangenen eineinhalb Jahren zwei Drittel ihrer Wähler verloren hat und orientierungslos zwischen Populismus und dem Kurs von Angela Merkel herumrudert. Eine „schonungslose“ Aufklärung und inhaltliche Neuausrichtung wird der Parteivorsitzende zwar später versprechen. Mancher erinnert sich jedoch daran, dass exakt das bereits vor einem Jahr stattgefunden haben soll. Geändert hat sich seither nichts.

Brüderles Kampf um seine bundespolitische Bedeutung wird sich an diesem Tag jedoch gelohnt haben. Er hat es allen, die es auf ihn abgesehen hatten, noch mal gezeigt. Er bleibt in seinem Ministeramt. Applaus hat er bekommen für seine Sicht auf die Ursachen des Wahlergebnisses. Und keiner hat es gewagt, ihn wie einen Hund vor die Tür zu setzen.

Auch für Birgit Homburger ging es noch mal glimpflich ab. Zwar hat auch Homburgers Landesverband in Baden-Württemberg am Sonntag nur mit Ach und Krach den Einzug ins Landesparlament geschafft. Doch das ist beinahe niemandem mehr aufgefallen.

Und Guido Westerwelle? Auch der Parteivorsitzende selbst sah nicht unzufrieden aus an diesem Montag. Noch einmal versprach er, dass er nach dieser Lektion „nicht zur Tagesordnung übergehen“ will. Eine „geordnete“ Ursachendebatte will Westerwelle an anstoßen. Nach geordnetem Rückzug klingt das nicht.

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