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Politik: Feldherr des Friedens

Eine eigene afghanische Armee soll die Warlords entmachten – Karsai will ihr Oberbefehlshaber werden

Von Ulrike Scheffer,

Königswinter

Afghanistans Kriegsherren müssen um ihren Einfluss bangen. Die USA und einige ihrer Verbündeten wollen nicht länger dulden, dass die selbst ernannten Regionalfürsten ganze Provinzen beherrschen und sich dem Demokratisierungsprozess widersetzen. Viele von ihnen haben Washington im Kampf gegen die Taliban unterstützt und galten deshalb als unantastbar. Doch nun hat sich das Blatt gewendet. In der vergangenen Woche wurde in London bekannt, dass die USA, Großbritannien und möglicherweise auch Frankreich Truppen in einige größere afghanische Städte entsenden wollen. Diese sollen unabhängig von der auf Kabul beschränkten Schutztruppe Isaf operieren. Der Afghanistan-Beauftragte des US-Außenministeriums, David Johnson, bestätigte am Montag bei der Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn, dass Teile der in Afghanistan stationierten US-Truppen bald neue Aufgaben übernehmen sollen. „Wir denken über veränderte Aufgaben für einen Teil der Truppen nach", sagte er am Rande der Konferenz. Konkrete Entscheidungen würden bald fallen. „Es geht hier aber nicht um einige Städte, es geht um die Sicherheit im gesamten Land", fügte Johnson hinzu.

Eine wichtige Aufgabe der Truppen steht indes schon fest: Sie sollen Soldaten für die neue afghanische Armee rekrutieren und ausbilden, damit die Zentralregierung das Land möglichst bald selbst kontrollieren kann. Präsident Hamid Karsai verkündete auf dem Petersberg, dass sich die Regierung über die Struktur der Nationalarmee geeinigt habe. Karsai selbst und nicht etwa Verteidigungsminister Mohammed Fahim, der als Widersacher des Präsidenten gilt, wird das Oberkommando über die Streitkräfte übernehmen. Fahim war in Königswinter zwar nicht anwesend, aus diplomatischen Kreisen hieß es jedoch, er habe den Plänen zugestimmt.

Die Entmachtung der Kriegsherren war eines der zentralen Themen auf dem Petersberg. „Auch die Provinzen müssen in die Befriedungs- und Wiederaufbaustrategie der Zentralregierung einbezogen werden", sagte der deutsche Außenminister in seiner Eröffnungsrede. Karsai wurde deutlicher: „Nur wenn im Land Sicherheit herrscht, können wir Reformen durchsetzen." In den unkontrollierten Provinzen breite sich der Anbau und Handel mit Drogenhandel massiv aus, die Steuereinnahmen würden der Zentralregierung vorenthalten, sagte Karsai und fügte hinzu: „Wir wissen sehr wohl, dass die Mujaheddin unser Land in den Jahren des Konflikts verteidigt haben. Deshalb wollen wir alles dafür tun, ihre Soldaten mit Hilfe von Demobilisierungsprogrammen in die Gesellschaft zu integrieren, ihnen eine Zukunftsperspektive zu geben."

Die Zahl der Kämpfer in den Milizen der Kriegsherren wird auf rund 100 000 geschätzt, die Zahl der im Land noch immer vorhandenen Waffen auf 700 000. Ein Teil der Kämpfer könnte in die Nationalarmee überwechseln, mitsamt ihren Waffen. Karsai geht davon aus, dass die Kriegsherren kooperieren. Einige von ihnen hätten die Regierung formal anerkannt. „Sie müssen sich daher unseren Anordnungen unterwerfen. Und alle anderen haben ohnehin kein Recht, irgend etwas zu fordern", sagte der Präsident in Königswinter.

Die USA haben die Federführung beim Aufbau der neuen Armee übernommen, bisher wurden jedoch nur rund 1600 Soldaten ausgebildet. „Mit der Übereinkunft wird es nun wesentlich schneller gehen, denn nun wissen wir, wie die Armee und ihre Kommandostruktur aussehen werden", sagte der US-Beauftragte Johnson. Seiner Aussage nach wird es mindestens zwei Jahre dauern, bis insgesamt rund 70 000 Männer unter dem Befehl der Kabuler Regierung stehen. Karsai hingegen sagte, die Armee werde schon in einem Jahr landesweit einsatzbereit sein. Von den ersten Soldaten sind indes einige schon wieder desertiert und zu ihren alten Herren zurückgekehrt – die nämlich zahlen wesentlich bessere Löhne als die Regierung.

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