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Verlustreicher Krieg. Der Feldzug gegen die syrische Kurdenmiliz fordert auch auf türkischer Seite Opfer.

© AFP

Feldzug in Syrien: Türkische Armee bereitet sich in Afrin auf Häuserkampf vor

Eigentlich gilt auch für die Kurdenregion ein Waffenstillstand. Doch davon will die Türkei nichts wissen - Ankara verkündet die zweite Kriegsphase.

Aus Tunneln und Gräben sollen sie gekommen sein. Den Nebel in der Bergregion hätten sie ausgenutzt. Und als der Konvoi mit türkischen Soldaten, Spezialkräften der im Städtekrieg erfahrenen Polizisten und Milizionäre der Freien Syrischen Armee anrückte, schlugen sie los.

80 bis 100 Kämpfer der kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) hatten nach Darstellung der türkischen Armee einen Hinterhalt gelegt. Acht Soldaten sollen dabei am Donnerstag getötet und 23 Mitglieder des türkischen Konvois verletzt worden sein. Regierung und Medien beeilten sich am Freitag, die Verluste von Kel Tepe im Westen der syrischen Provinz Afrin umzudeuten. Die zweite Phase der „Operation Olivenzweig“ habe begonnen, erfuhr die türkische Öffentlichkeit. Die Armee würde nun die Kleinstädte von den „Terroristen säubern“, bis sie die Provinzhauptstadt Afrin selbst erreicht.

Kurdenmiliz zur Terrororganisation erklärt

Eine Waffenruhe für ganz Syrien soll gelten, so steht es in der jüngsten Resolution des UN-Sicherheitsrates. Die deutsche Regierung, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und das Außenministerium in Washington haben der Führung in Ankara seither klar zu machen versucht, dass „ganz Syrien“ eben auch bedeutet: keine Kämpfe in Afrin. Doch ebenso wenig wie im Rebellengebiet Ost-Ghouta nahe Damaskus stoppt der Krieg in der Provinz der syrischen Kurden.

Ankara hat die Kurdenmiliz YPG zur Terrororganisation erklärt, und wo immer es eine Bedrohung durch den Terrorismus gebe, so bekräftigte Regierungschef Binali Yildirim einmal mehr in einer Rede am Freitag, „ist er für uns ein Ziel“. Diese Operation werde bis zu ihrem Ende geführt, sagte er. Es gehe darum, das „Leben und das Eigentum unserer Bürger zu beschützen“, aber auch jenes „unschuldiger Menschen in Syrien und im Irak vor der Unterdrückung durch diese Terrorgruppe“.

Auch das ist nicht die Lesart des Weltsicherheitsrates. Der Kampf gegen Terrorgruppen war in der Resolution 2401 ausdrücklich vom Aufruf zur Waffenruhe ausgenommen. Doch anders als der IS, Al Qaida oder die Nusra-Front mit deren Neugründung Hayat Tahrir al Sham ist die kurdische YPG bei den Vereinten Nationen nicht als Terrorgruppe aufgelistet.

Zusammenstoß mit den USA droht

Die Miliz ist schließlich ein militärischer Partner der USA im Krieg in Syrien und ein Zusammenstoß zwischen den Nato-Verbündeten Türkei und USA im Kriegsgebiet damit weiterhin denkbar. Regierungsvertreter beider Seiten wollen deshalb am Donnerstag in Washington über eine Lösung für Afrins Nachbargebiet um die Stadt Manbidsch beraten. Dort ist ein Stützpunkt der US-Armee in Syrien. Ankara will erreichen, dass der von der YPG gelenkte Manbidsch-Militärrat aufgelöst wird.

Erstmals seit Beginn des türkischen Angriffs auf Afrin am 20. Januar gelangte jetzt ein Konvoi mit Hilfsgütern in die Provinzhauptstadt. Die Lage dort sei alarmierend, stellte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz fest, das die Lieferung von Medikamenten, Matratzen und Winterkleidung organisiert hatte.

Nur vier Krankenhäuser würden in dem Gebiet arbeiten. Sie seien völlig überfordert durch die steigende Zahl von Opfern. Allein in den vergangenen 14 Tagen sollen 150 Zivilisten ums Leben gekommen und 298 verletzt worden sein, so zitierte Civaka Azad, ein syrisch-kurdischer Verein mit Sitz in Berlin, am Freitag eine Vertreterin der Provinzverwaltung.

Spezialkräfte kommen zum Einsatz

Eine Belagerung von Afrin gilt unter Militärexperten als erwartbares Ende des Feldzugs. Noch sind die türkischen Truppen aber nicht so weit. Am Freitag sollen sie die Kleinstadt Rajo erreicht haben. 25 Kilometer sind es von dort bis Afrin. Ihre Truppen hatte die Armeeführung diese Woche mit Spezialkräften für den Häuserkampf aufgestockt. Zahlen wurden nicht bekannt.

Dafür präsentierte Verteidigungsminister Nurettin Canikli nach dem Hinterhalt von Kel Tepe eine neue Bilanz. 41 türkische Soldaten und 116 Kämpfer der verbündeten FSA seien seit Beginn der Operation Olivenzweig gefallen, 2295 „Terroristen neutralisiert“ worden.

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