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Politik: Felsenfest

Die Einwohner Gibraltars wollen Briten bleiben

Spaniens Ärger tut der Freude der rund 30 000 Einwohner Gibraltars keinen Abbruch. Mit Straßenfesten, einer Sondersitzung des Parlaments und einer Militärparade haben sie am Mittwoch gefeiert, dass ihr Felsen an der Südspitze Spaniens seit 300 Jahren zu Großbritannien gehört. „Wenn Spanien darüber gekränkt sein möchte, dass wir sagen, das ist unser Felsen, können wir das auch nicht ändern“, sagt Gibraltars Regierungschef, Peter Caruana. Aber Spanien ist gekränkt – sogar sehr.

Am 4. August 1704 ergaben sich die Bewohner des Kalkfelsens, nachdem die Briten sie sechs Stunden lang vom Meer aus mit Kanonen beschossen hatten. Damit hat sich Spanien nie zufrieden gegeben. Deshalb streiten spanische und britische Diplomaten rund um den Jahrestag einmal mehr über die letzte europäische Kolonie der Briten. Die Spanier erbittert besonders, dass auch der britische Verteidigungsministers Geoff Hoon und der Befehlshaber der königlichen Marine, Admiral Alan West, an den Feiern teilgenommen haben. „Eine Provokation“, findet ganz Spanien. Außenminister Miguel Angel Moratinos kommentiert diese „sehr unfreundliche Geste“ Londons so: „Es ist merkwürdig, dass man in der Europäischen Union im 21. Jahrhundert die Besetzung eines Teils eines Mitgliedstaates durch einen anderen Mitgliedstaat feiert.“

Die 30 000 Einwohner Gibraltars, die erst vor zwei Jahren in einem Referendum mit einer Mehrheit von 99 Prozent entschieden haben, dass sie Briten bleiben wollen, finden die spanische Aufregung etwas übertrieben. „Es ist ziemlich unverschämt, wenn man uns darüber belehren will, wie wir den Gedenktag zu begehen haben“, schnaubte Peter Caruana. „Wir feiern nicht die militärische Schlacht, sondern den Jahrestag der britischen Souveränität.“ Das Außenministerium in London unterstützte Caruana nicht weniger angriffslustig: Madrid möge doch, bitte, nicht ausrasten und das Klima mit „emotionalen Attacken“ vergiften. Das Parlament in Gibraltar hat am Mittwoch in einer Sondersitzung eine Erklärung beschlossen, die eine Rückkehr zu Spanien ausschließt. Nur zu gut erinnern sich die Bewohner an die Zeit nach 1969, als der spanische Diktator Francicsco Franco die Grenzen nach Spanien geschlossen hatte. Bis 1985 mussten sie mit einer Fähre nach Tanger übersetzen, um von Marokko aus nach Spanien einzureisen, wenn sie auch nur die Nachbarstadt besuchen wollten. Bis heute kontrolliert Spanien die knappen Telefonleitungen. Für die Einwohner ist die Sache klar: Das sei reine Schikane.

In Sachen Gibraltar fällt es sogar Spaniens neuem Regierungschef José Luis Zapatero schwer, sein sympathisches Lächeln zu bewahren. „Der letzte koloniale Überrest in Europa“, wie Zapateros Außenminister offiziell schimpfen durfte, ist schon lange ein rotes Tuch für die Spanier über alle Parteigrenzen hinweg. Um so mehr, als die Gespräche um eine teilweise oder völlige Übergabe der Souveränität Gibraltars an Spanien vor kurzem scheiterten. Zwar haben weder Spanien noch Großbritannien die Ergebnisse des Referendums gebilligt. Dennoch hat es seither keine weiteren Gespräche mehr gegeben. Am Mittwoch haben beide Seiten aber doch noch versucht, ein versöhnliches Zeichen zu setzen. Der britische Staatsminister für Europafragen, Denis MacShane, und der spanische Botschafter Carlos Miranda haben sich darauf geeinigt, die Frage „mit Ruhe und Gelassenheit“ anzugehen und zu einem späteren Zeitpunkt neue Gespräche aufzunehmen.

Ralph Schulze[Madrid]

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