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Politik: Ferien im Kosovo

Joachim Rücker, Chef der UN-Verwaltung, sieht in der Provinz viel Potenzial – wenn der Status klar ist

Von Caroline Fetscher

Berlin - „Kosovo darf am 11. Dezember nicht in ein Loch fallen“, warnt Joachim Rücker, seit September 2006 Leiter der UN-Mission im Kosovo (Unmik). Schon jetzt seien die Menschen im Kosovo „enttäuscht, müde und in hohem Maße frustriert“. Am 10. Dezember endet die Frist für eine Entscheidung über den künftigen Status des Kosovo, das formell noch südserbische Provinz ist. Doch 1,8 Millionen Kosovo-Albaner streben seit Jahren die Unabhängigkeit an.

Vor knapp drei Monaten war im UN-Sicherheitsrat der sorgfältig ausgearbeitete Plan für eine „überwachte Unabhängigkeit“ des Kosovo gescheitert. Russland und China, beide offenbar mit Blick auf potenziell abtrünnige Landesteile in ihren eigenen Staaten, blockierten die Kompromisslösung, die UN-Vermittler Martti Ahtisaari vorgeschlagen, und die UN-Generalsekretär Ban Ki Moon begrüßt hatte. Sie sah eine weitgehende Dezentralisierung des Kosovo und umfangreichen Schutz für Minderheiten vor. Weitere 120 Tage der Verhandlungen wurden damals anberaumt, eine Troika aus Vertretern der EU, Russlands und der USA für neue Gespräche einberufen.

Am Montagabend hatte die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen Joachim Rücker zum Gespräch eingeladen. Der Sozialdemokrat und Wirtschaftswissenschaftler hat für das Auswärtige Amt unter anderem in Afrika und in Bosnien-Herzegowina gearbeitet, und er war durchsetzungsfähiger Oberbürgermeister von Sindelfingen, dessen maroden Haushalt er von 1993 bis 2001 sanierte. Weniger einfach gestaltet sich die Sanierung des Kosovo, informierte Rücker seine Zuhörer am Montag. Ein „Fortschritt ohne Status“ sei für den Kosovo nicht zu haben, sagte Rücker, der die Privatisierungen in der Provinz vorantreiben will. „Zwar stehen die Investoren Schlange“, doch ohne eine Klärung der Statusfrage riskierten sie keinen Einsatz. Bodenschätze, Skigebiete, Weinanbau: Im Kosovo könnten „Tausende von Arbeitsplätzen entstehen“, glaubt Rücker. Solange aber die Statusfrage in der Schwebe sei, bewege sich nichts. Die Hälfte der Bevölkerung des Kosovo ist arbeitslos. Zentral sei eine Perspektive zum EU-Beitritt für die Länder dieser Region, legte Rücker dar.

Zur Situation der etwa 100 000 Serben im Kosovo sagte Rücker, es sei in vielen Kommunen bereits eine gute Kooperation zwischen Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern zustande gekommen, was zu wenig bekannt sei und anerkannt werde. Bei den Wahlen Mitte November haben viele Serben einen Boykott mitgetragen, zugleich haben sich jedoch neue serbische Parteien im Kosovo formiert, deren Mitglieder zunehmend bereit seien, gemeinsame Verantwortung zu tragen. Dass der Status quo unhaltbar sei, werde immer mehr Serben klar, die sich nicht mehr von Entscheidungsträgern in Belgrad instrumentalisieren lassen wollten.

Es gilt als offenes Geheimnis, dass Nationalisten in Serbien die serbische Minderheit im Kosovo finanziell massiv unterstützen, und dafür deren Widerstand gegen wirtschaftliche, politische und soziale Lösungen einfordern. In der Debatte mit Rücker wurde deutlich, dass sich Experten der verschiedenen Parteien eine entschlossene Führungsrolle der Europäischen Union wünschen, damit der 10. Dezember nicht zum Beginn eines neuen Debakels auf dem Balkan wird. Washington hat angekündigt, die USA werden einer Unabhängigkeit des Kosovo auch gegen das Veto Russlands im UN-Sicherheitsrat zustimmen. Ebenso wollen sich offenbar 22 EU-Staaten verhalten, unter ihnen auch Deutschland.

Rücker versicherte, ein Plan für eine Übergangsfrist in den ersten hundert Tagen nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo, in denen Verfassung und Gesetze verabschiedet werden sollen, sei in der Hauptstadt Pristina „schon gut vorbereitet“. Was jedoch geschehen würde, sollte es nicht dazu kommen, dazu wollte sich Rücker nicht äußern.

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