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Politik: Fernsehen hektisch, Bonn außer Haus

Was tut das Bildermedium, wenn ihm die Bilder fehlen? Es schlägt die Stunde der Analytiker, Kommentatoren und Korrespondenten, die sich in ihren Aufsagern unermüdlich zwischen Prophetie und Kaffeesatzleserei bewegen.

Was tut das Bildermedium, wenn ihm die Bilder fehlen? Es schlägt die Stunde der Analytiker, Kommentatoren und Korrespondenten, die sich in ihren Aufsagern unermüdlich zwischen Prophetie und Kaffeesatzleserei bewegen.

Noch weniger an konkreten Fakten als 1991 ließen sich über den Verlauf der Operation "Wüstenfuchs" auch an ihrem zweiten Tag berichten.Die spärlichen Bilder grüner Blitze, die wie verfrühte Silvesteraketen über den nächtlichen Himmel zogen und damals noch die Angst vor einem dritten Weltkrieg schürten, wirkten merkwürdig vertraut.Ihren Schrecken hierzulande schienen sie verloren zu haben.Kein Kamerateam fing wie damals Protestzüge und Reaktion aufgeregter Bürger ein, obwohl das Bombardement stärker und der Anlaß diesmal nicht eine vorangegangene Aggression war.Keine dramatischen Bilder aus Israel, wo man sich seinerzeit mit Gasmasken gegen Nervengas-Raketen aus dem Irak wappnete.

Das Angriffsziel Bagdad? Keine Ausgangssperre, keine Verdunklung.Business as usual hier wie dort.Der Bagdad-Korrespondent des ZDF, Ulrich Tilgner, schien sich daher recht sicher zu fühlen."Bleiben sie gesund", wünschte Wolf von Lojewski nicht undramatisch dennoch.Eine Informationspolitik der USA, die damals noch die Welt triumphierend mit ihren militärischen Erfolgen auf dem laufenden hielten, fand so gut wie nicht statt.Die irakischen Bilder von verstümmelten Zivilisten in Krankenhäusern lenkten nur kurz den Blick weg von den politischen Theorien zur blutigen Realität.Mit seinem Wust an Schaltungen und Sondersendungen produzierte das Fernsehen wieder einmal seine eigene Dramatik.

"Alles ein bißchen wirr heute" läutete Wolf von Lojewsky das "heute-journal" ein und konnte doch nur den bereits zur Gänze ausgequetschten Korrespondenten zum wiederholten Male Einschätzungen zu "Monicagate" oder der Clinton-Taktik abringen.In einem frühen "ZDF-spezial" nahm Peter Frey atemlos eine Kommentatorenparade ab."Vielen Dank für ihre Einschätzung", der Nächste bitte.Es warteten die Operation "Sorgenkind" und Dieter Thomas Heck darauf, pünktlich wieder Gutes tun.Frey verwies ganz standhaft auf "die lange Nacht" im ZDF."Diskutieren Sie mit uns", bot er an.Wer nicht zur Arbeit mußte, konnte sich Bier und Chips bereitstellen und in die rhetorische Schlacht um "Bomben auf Bagdad" werfen.

Die ARD hatte klüger geplant.Zuerst der "Brennpunkt": eine aufschlußreiche Reportage über den mörderischen Saddam-Clan, die Leiden der Bevölkerung unter den UN-Sanktionen und die findige Arbeit der UN-Inspektoren; dann "Monitor", der, unermüdlich wie stets, auf die skandalöse Beteiligung deutscher Firmen an der Aufrüstung des Irak wies.

Auffällig unterrepräsentiert im Nachrichtenmarathon blieb die Bundesregierung.Wo sich einst Klaus Kinkel von irgendeinem Winkel der Erde zu Ulrich Wickert schalten ließ, fingen die Mikrofone vom neuen Außenminister nicht mehr als einen dürren Satz der Zustimmung ein.Fischer, der temperamentvolle Wortkünstler blieb steif und stumm.Er wußte wohl warum.Noch haben wir den Wahlkämpfer Joschka Fischer im Ohr, der in etlichen TV-Auftritten Einsätze ohne UN-Beschluß vehement verurteilte.Aber auch die gefürchtete Basis blieb stumm und ließ ihren Staatsmann gewähren.Kein Reporter, der den Finger in die Wunde gelegt hätte.Bonn war außer Haus.

MICHAEL BURUCKER

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