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Politik: Feuerwehrmann sucht neue Mission

Polens scheidender Premier Marek Belka will Generalsekretär der OECD werden

Auch nach dem Ende von Polens Wahlmarathon harrt der scheidende Premierminister Marek Belka vorläufig weiter auf der Regierungsbank aus. Dabei hat der Wirtschaftsfachmann bereits eine neue Aufgabe im Visier: Der 53-Jährige gilt als einer der Favoriten für den frei werdenden Posten des OECD-Generalsekretärs. Seinen Amtssitz muss Belka bereits mit seinem konservativen Nachfolger teilen. Am Freitag zog der designierte Regierungschef Karzimierz Marcinkiewicz zur Bildung des neuen Kabinetts in ein leer stehendes Büro der Premier-Kanzlei ein. Obwohl mit der Stichwahl der Präsidentschaftskür der lange Wahlherbst in Polen am Sonntag endlich ein Ende fand, muss sich der amtsmüde Belka mit seinem Rücktritt wahrscheinlich bis Ende des Monats gedulden – so lange wird die Bildung einer neuen Regierung wohl noch dauern, die wegen der Präsidentschaftswahl aufgehalten ist. Seine Amtskollegen können sich von dem umgänglichen Polen am Donnerstag in London verabschieden: Der Flug zum EU-Gipfeltreffen wird vermutlich Belkas letzte Dienstreise als Regierungschef sein.

Doch in der Versenkung dürfte der weltgewandte Wirtschaftsprofessor auch nach seinem Abtritt keineswegs verschwinden. Der frühere Finanzminister, der im Mai von der sozialdemokratischen SLD zu den liberalen Demokraten übertrat, hat bereits einen neuen Job im Visier: das Amt des Generalsekretärs der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris. Zum Jahresende geht der 69-jährige Amtsinhaber Don Johnston nach zehn Jahren in den Ruhestand. Um die Nachfolge des Kanadiers hatten sich zunächst sechs Kandidaten beworben. Nachdem letzte Woche der Franzose Alain Madelin das Handtuch warf, werden Belka neben der Japanerin Sawako Takeuchi nun die besten Aussichten eingeräumt, Johnston zu beerben. Die Entscheidung über den neuen Chef des Industrieländer-Verbands soll Anfang Dezember fallen.

In seiner Heimat wird Belka vor allem in Wirtschaftskreisen geschätzt. Als „Krisenmanager“ hatte Präsident Aleksander Kwasniewski seinen einstigen Wirtschaftsberater als Nachfolger des umstrittenen Skandalpremiers Leszek Miller im Mai 2004 auf den Premier-Sessel bugsiert. Zwar steuerte der „Feuerwehrmann“ das schlingernde Regierungsschiff bald wieder in ruhigeres Fahrwasser. Doch als Chef eines Minderheitskabinetts war sein Spielraum angesichts der fehlenden Mehrheiten im Parlament begrenzt. Notgedrungen musste sich „Macher Marek“ mehr in der Verwaltung als in der Führung der Regierungsgeschäfte üben.

Ruhig und gelassen verrichtete der Premier trotz der Turbulenzen im Parlament seinen Job. Doch weder für seine frühere noch für seine heutige Partei machte sich sein pragmatischer Einsatz auf der Regierungsbank bezahlt. Während die SLD bei der Parlamentswahl im September fast drei Viertel ihrer Stimmen verlor, blieb Belkas Demokraten gar der Parlamentseinzug verwehrt. Selbst blickt der Premier keineswegs im Zorn zurück. Er sei sicher, dass sich Polen bald wieder nach einem „technischen Kabinett“ sehnen werde, erklärte er zum Abschied verschmitzt.

Thomas Roser[Warschau]

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