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Foto: Juan Pablo Carreras/AFP

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Fidel wird 86: Kapitalismus a la cubana

Fidel Castro wird 86, die Medien jubeln – doch Havanna probt Marktwirtschaft.

Liest man die staatlichen Medien, so ist auf Kuba alles wie gehabt: Da wird die Straußenzucht ebenso in höchsten Tönen gelobt wie ein indischer Ölbaum namens Moringa Oleifera. Von beidem erhofft sich die Führung demnach Wunder gegen die Versorgungsengpässe. Den meisten Kubanern entlocken diese Meldungen nur noch ein müdes Lächeln: Derlei Experimente mit ungewissem Ausgang sind sie gewöhnt, seit Fidel Castro 1959 in Havanna einmarschierte. Ob Rekord-Zuckerernten, asiatische Büffel oder chinesische Schnellkochtöpfe – meist angepriesen vom Obersten Revolutionsführer persönlich. Inzwischen hat sich der Comandante, der am 13. August seinen 86. Geburtstag feiert, aus dem Tagesgeschehen weitgehend zurückgezogen und sinniert in unregelmäßig erscheinenden Kolumnen über das Weltall, die Genese von Kriegen und Atombomben.

Die Bevölkerung hingegen ist längst damit beschäftigt, den Kapitalismus a la cubana auszuprobieren. Und was sich da seit 2006 getan hat, seit Raúl Castro die Macht übernahm, weicht durchaus von der reinen sozialistischen Lehre ab. Neben den ineffizienten und von Mangelwirtschaft geplagten Staatsbetrieben ist inzwischen ein buntes Sammelsurium aus privaten Handwerks- und Gastronomiebetrieben entstanden – von Pizzabäckern über Schuster und Taxifahrer bis hin zu Friseurinnen und Automechanikern. Bauern erhielten Ländereien in Erbpacht und dürfen nun direkt ihre Ernte vermarkten; Autos und Häuser können frei ver- und gekauft werden.

Rund eine halbe Million Kubaner hat sich selbstständig gemacht, 47 000 haben Kredite aufgenommen, 500 bieten ihre Dienstleistungen auf den gelben Seiten an – trotz hoher Steuern, Engpässen beim Kauf von Betriebsmitteln und strikter behördlicher Auflagen. Mittelfristig soll sich die Insel nach der Vorstellung des Reformökonomen Omar Everleny Perez vom Studienzentrum der kubanischen Wirtschaft (CEEC) in ein Paradies für Mittelständler verwandeln. „Kleinbetriebe schaffen nicht nur Arbeitsplätze und ein größeres Angebot von Waren und Dienstleistungen, sie sind außerdem flexibel und dank der hohen Qualifizierung der kubanischen Arbeitskräfte auch wettbewerbsfähig“, schreibt er in einer Studie.

Bis es so weit ist, überbrücken billiges Erdöl und großzügige Transferleistungen vom Bruderland Venezuela – 34 Milliarden Dollar zwischen 2005 und 2010 nach Erhebungen des privaten Wirtschaftsinstituts CIECA – die Engpässe. Doch mit der Rezession in Venezuela 2009 und der Krebserkrankung des venezolanischen Staatschefs Hugo Chávez wurde klar, dass dieses Standbein wegbrechen kann.

Die Liberalisierung war nicht einfach, der jüngere der Castro-Brüder muss auch gegen interne Widerstände angehen. Die Zahlen scheinen ihm recht zu geben: Im ersten Halbjahr 2012 wuchs die Wirtschaft um 2,1 Prozent. „Der Weg ist noch lange und mühsam“, orakelte Raúl Castro. In der Tat haben sich die meisten Kubaner mutigere Reformen erhofft. Weder die Reisebeschränkungen wurden bislang aufgehoben noch die Löhne von im Schnitt 14 Euro monatlich erhöht. Und politische Liberalisierung steht ohnehin nicht auf dem Programm des 81-Jährigen, der als Bewunderer des chinesischen und vietnamesischen staatskapitalistischen Modells gilt. Sandra Weiss

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