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Schwieriges Erbe. Pedro Passos Coelho, der Chef der portugiesischen Sozialdemokraten, gilt als Favorit für das Amt des Ministerpräsidenten.

© Hugo Correia, Reuters

Finanzkrise: Hundert EU-Milliarden für Portugal?

Nach dem Rücktritt des portugiesischen Regierungschefs José Sócrates wird ein Hilferuf des hoch verschuldeten EU-Landes an den Euro-Rettungsfonds immer wahrscheinlicher.

In der portugiesischen Hauptstadt Lissabon wie in der EU-Zentrale Brüssel werden bereits Berechnungen über den Finanzbedarf Portugals angestellt. Die Schätzungen bewegen sich zwischen 50 und 100 Milliarden Euro, die notwendig sein werden, um den wankenden portugiesischen Staat vor der Pleite zu retten.

Portugal wäre damit nach Griechenland und Irland das dritte Euro-Mitglied, welches nicht mehr aus eigener Kraft seine großen Finanzprobleme lösen kann. Der sozialistische Ministerpräsident Sócrates warf hin,nachdem sein letztes hartes Sparpaket, das vierte in den letzten Monaten, im Parlament abgeschmettert worden war. Die linke wie die rechte Opposition hatten die neuen Belastungen für die Bürger einhellig als „unzumutbar“ abgelehnt.

Das Krisenpaket, von dem Teile aber auch ohne Parlamentszustimmung in Kraft treten können, enthielt unter anderem Kürzungen der höheren Renten, Reduzierung der Arzneimittelzuzahlung, Preiserhöhungen für öffentliche Verkehrsbetriebe und Einsparungen im ohnehin lahmenden Bildungs-, Gesundheits- und Justizwesen. Vorausgegangen waren im Jahr 2010 bereits ein Rentenstopp für alle Senioren, eine Mehrwertsteuererhöhung auf 23 Prozent, Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst, Mautgebühren auf bisher kostenlosen Autobahnen, tiefe soziale Einschnitte und ein Baustopp für die staatliche Infrastruktur. Armut, soziale Not, private Zahlungsprobleme und Arbeitslosigkeit (mehr als 11 Prozent) steigen in Portugal immer weiter.

Da Sócrates mit einer Minderheitsregierung amtierte, leitete der Vertrauensentzug im Parlament sein Ende ein. „Eine negative Koalition der politischen Kräfte hat den Rücktritt der Regierung erzwungen“, sagte Sócrates. Er kam 2005 noch mit absoluter Mehrheit ins Amt, seit 2009 regiert er mit einem Minderheitskabinett.

Der konservative Staatspräsident Anibal Cavaco Silva wird nun in etwa zwei Monaten Neuwahlen ansetzen, bis dahin werden Sócrates und seine Mannschaft kommissarisch im Amt bleiben. Bei der Neuwahl will auch Sócrates wieder antreten, wenn auch, Umfragen zufolge, mit geringen Erfolgsaussichten. Ganz vorne in der Wählergunst liegt derzeit Oppositionsführer Pedro Passos Coelho (46), Vorsitzender jener konservativen Sozialdemokraten, zu denen auch Staatschef Cavaco Silva gehört. „Wir brauchen ausländische Hilfe“, sagte Passos Coelho. Sócrates habe „ein illusorisches Bild eines Landes geschaffen, das keine Hilfe braucht und das die Sparziele erreicht, aber dies hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun“.

Zu diesem Schluss kam auch die Europäische Kommission, die Portugal zu immer drastischeren Sparmaßnahmen drängte. Den Wirtschaftsprüfern des EU-Statistikamtes Eurostat zufolge hat Sócrates nur durch kreative Buchführung die Neuverschuldung in 2010 auf etwa 7,3 Prozent senken können. Rechne man die Verschuldung öffentlicher Unternehmen ein, lägen die Neuschulden bei mehr als acht Prozent.

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