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Finanzkrise: Islands Ex-Regierungspolitikern droht Sondertribunal

Es ist ein einmaliger Vorgang. Und einer, der die Politik spaltet. Das isländische Parlament, streitet darum, ob es als Konsequenz aus dem Bankencrash 2008 einen Teil der ehemaligen Regierung vor Gericht stellen soll.

Einmalig wäre das, weil dies kein normales Gericht wäre, sondern ein eigens einberufenes „Hohes Gericht“, das Landsdomur. Die Krise, bei im Oktober 2008 über Nacht die drei größten Banken des Landes – und damit im Grunde das ganze Bankensystem – kollabierten und zum Teil verstaatlicht werden mussten, hatte den Inselstaat an den Rand eines Staatsbankrotts gebracht.

Eine neunköpfige Untersuchungskommission des isländischen Parlamentes, das Althingi, hatte sich vor knapp zwei Wochen mit einer Mehrheit von fünf zu vier Stimmen für die Einberufung des Sondergerichtshofes ausgesprochen. Grundlage ist ein 274-seitiger Untersuchungsbericht der Kommission, welcher der Regierung und den Aufsichtsbehörden eine Mitschuld an der Krise bescheinigt.

Seit Montag vergangener Woche debattiert das Parlament nun über die Empfehlung der Kommission, vier ehemalige Regierungsmitglieder wegen „Fahrlässigkeit“ und Verletzung ihrer Aufsichtspflicht anzuklagen. Der Vorwurf lautet, sie hätten die Gefahr gesehen, aber nicht gehandelt. Neben dem konservativen Ex-Regierungschef Geir Haarde handelt es sich dabei um drei seiner ehemaligen Ressortchefs – Finanzminister Arni Mathiessen (von den Konservativen), Handelsminister Björgvin Sigurdsson und Außenministerin Solrun Gisladottir (beides Sozialdemokraten). Ihnen droht eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren. Die Regierung aus Konservativen und Sozialdemokraten war im Januar 2009 nach wochenlangen Protesten zurückgetreten. Inzwischen regiert eine Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen.

Möglich machen würde den Sondergerichtshof ein Gesetz von 1905, das 1963 überarbeitet, aber noch nie angewandt wurde. Gebraucht würden 15 Richter; dazu kämen acht vom Parlament gewählte Persönlichkeiten, von denen wiederum zwei aus dem Parlament stammen könnten. Das Heikle: Bevor über die Möglichkeit eines Prozesses gegen die ehemalige Regierung debattiert wurde, waren alle Beteiligten aufgerufen, ihr Wissen vor einer Art Wahrheitskommission offenzulegen. Man wollte verstehen, wie es zu dem Crash kommen konnte und Ähnliches für die Zukunft ausschließen. Daraus entstanden die umfangreichen Untersuchungsberichte, zu denen mehr als 300 Personen Informationen geliefert haben. „Alle haben alles gesagt“, sagt die Fraktionsvorsitzende der oppositionellen konservativen Unabhängigkeitspartei, Ragnheidur E. Arnadottir. „Aber die vier Regierungsmitglieder galten nie als Verdächtige und hatten daher auch keine Anwälte an ihrer Seite.“ Ob sich das mit den Gepflogenheiten eines Rechtsstaates und mit der EU-Menschenrechtskonvention vereinbaren lässt, ist fraglich.

Unterdessen gehen in Island auch die strafrechtlichen Ermittlungen zur Krise voran. Seit Ende 2008 suchen Sonderstaatsanwalt Olafur Hauksson und seine mehr als 50 Mitarbeiter nach den Verantwortlichen in der Wirtschaft, nach denjenigen, die das Finanzsystem des Landes zum Kollabieren brachten. Ermittlungen laufen gegen Mitarbeiter von neun isländischen Banken, unter anderem wegen mutmaßlichen Betrugs, Marktmanipulationen und Insiderhandel. Das ist keine leichte Aufgabe, auch weil sich viele Verdächtige ins Ausland abgesetzt haben.

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