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Paris

© dpa

Finanzkrise: Merkel: "Die die Schäden verursacht haben, müssen auch ihren Beitrag leisten"

Die mächtigsten EU Staaten beraten auf einem Minigipfel über Auswege aus der weltweiten Finanzkrise. Sie wollen nicht nur den Steuerzahler, sondern auch die Spekulanten zur Verantwortung ziehen. Jetzt wurde die Neugründung des Weltfinanzsystem ins Gespräch gebracht.

Die einflussreichsten europäischen Spitzenpolitiker haben bei einem Krisengipfel nach einer gemeinsamen Antwort auf die internationale Finanzmarktkrise gesucht. Im Mittelpunkt des Treffens der Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Italiens standen die Frage der Staatsgarantien und die künftige Regulierung der Märkte.

Die vier wichtigsten EU-Staaten haben sich darauf geeinigt, die europäischen Banken in der Krise zu unterstützen. Jedes Land werde das mit seinen eigenen Mitteln tun, doch man werde sich abstimmen, sagte der französische Präsident Nicolas Sarkozy nach dem Treffen im Pariser Élyséepalast. Die vier führenden EU-Staaten seien sich einig, dass die für die Krise Verantwortlichen auch die Folgen tragen müssten. Auch die Aktionäre der notleidenden Banken müssten einen Teil der Last übernehmen.

Neugründung des Weltfinanzsystems?

Die Teilnehmerstaaten wiesen auf die Flexibilität des EU-Stabilitätspaktes hin, der grundsätzlich eine Beschränkung des Staatsdefizits auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts vorschreibt. Der Stabilitätspakt müsse die außergewöhnliche Lage berücksichtigen, und das tue er auch, sagte Sarkozy nach dem Treffen. Es gebe eine Flexibilität bei den Schuldenregeln.

Mittelfristig wollen Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Italien einen "Gipfel der am meisten betroffenen Staaten zur Neugründung des Weltfinanzsystems". Alle Finanzmarkt-Akteure müssten Regeln unterworfen und überwacht werden, auch die Hedgefonds und Ratingagenturen, sagte Sarkozy. Der Reformgipfel solle "so schnell wie möglich" organisiert werden.

Sarkozy war vor dem Krisengipfel mit dem Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, zusammengetroffen. Anschließend sagte Strauss-Kahn, die Europäer müssten "den Märkten" zeigen, dass es "kein Jeder-für-sich" gebe. Sarkozy wolle eine Abstimmung und "kollektive Antwort" der Europäer. "Das ist die richtige Antwort."

Europäische Uneinigkeit über Auswege aus Finanzkrise

Gastgeber Frankreich forderte zu Beginn des Treffens einen Schulterschluss der Europäer. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, die Politik müsse in einer solch schwierigen Situation Verantwortung übernehmen. "Allerdings sind wir auch der Meinung, dass die, die diese Schäden verursacht haben, auch ihren Beitrag leisten müssen." Die vier europäischen G8-Staaten sollten nach dem Willen des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy eine gemeinsame europäische Position für einen G8-Gipfel zur Reform des Weltfinanzsystems erarbeiten. Der G8 gehören auch die USA, Japan, Kanada und Russland an.

Ursprünglich wollte Sarkozy als Sofortmaßnahme auch einen Fonds zur Rettung der Banken nach dem Vorbild des amerikanischen Hilfspakets über 700 Milliarden Dollar. Er stieß damit bei Merkel aber auf klare Ablehnung. Die Kanzlerin stellte die Marktregeln in den Mittelpunkt. "Wir werden über bessere Zukunftsvorsorge sprechen. Ich glaube, dass es ein hohes Maß an Übereinstimmung in unseren Ländern gibt, um für die Zukunft auch zu arrangieren, dass solche Krisen nicht wieder auftreten", sagte sie.

Der britische Premierminister Gordon Brown machte sich für einen Fonds über gut 15 Milliarden Euro stark, mit dem die Finanzierung der mittelständischen Wirtschaft gesichert werden soll. Außerdem forderte er eine Liquiditätsgarantie für die Finanzwelt. "Ich möchte, dass von hier die Botschaft ausgeht, dass keine solvente Bank aus Mangel an Liquidität insolvent werden darf", sagte Brown in Paris. "Wir wollen die Sicherheit der hart arbeitenden Familien und Unternehmen in allen unseren Ländern sicherstellen."

Sondergipfel löst Verärgerung unter restlichen EU-Staaten aus

Gastgeber Sarkozy erklärte, für das weltweite Problem brauche man "eine weltweite Antwort". Europa müsse "den Willen zu einer Lösung" zeigen, die "die Steuerzahler und Sparer beruhigt". Sarkozy hatte zu dem G4-Krisengipfel auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) Jean-Claude Trichet und den Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, geladen. Dies löste Verärgerung bei nicht geladenen EU-Staaten wie Spanien aus, die eine Einigung über ihre Köpfe hinweg fürchteten.

Merkel versuchte die Ausgeschlossenen mit dem Hinweis zu beruhigen, dass der Pariser Mini-Gipfel der Vorbereitung der G8 diene. Die EU müsse ihre Lösung beim Gipfeltreffen am 15. und 16. Oktober in Brüssel finden. Bereits am kommenden Dienstag kommen die EU-Finanzminister zusammen, um die europäische Lösung vorzubereiten.

Jeder für sich

Beobachter erwarteten, dass der Pariser Mini-Gipfel sich statt auf schlagzeilenträchtige Milliardenfonds auf pragmatische "technisch klingende" Reformen einigen werde. Dabei geht es um die als Krisenursache angesehene Verbriefung von Schuldtiteln, die Sicherung des Eigenkapitals der Banken, die Reform der Buchhaltungsregeln und die Kontrolle von Risikofonds und Ratingagenturen.

Das alles ist eher mittelfristig angelegt. Die kurzfristigen Rettungsaktionen für angeschlagene Banken laufen bisher national oder in Absprache der direkt betroffenen Länder. So übernahmen die Niederlande am Freitagabend das niederländische Geschäft des Finanzkonzerns Fortis für 16,8 Milliarden Euro komplett. Wenige Tage zuvor hatten die Benelux-Staaten jeweils 49 Prozent der Fortis-Töchter in ihren Ländern übernommen. (ml/dpa)

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