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Finanzministertreffen: Euro-Gruppen-Therapie

Wenn Jean-Claude Juncker geht, brauchen die Länder der Währungsunion einen neuen Chef – und zwar bald. Am Montag diskutieren sie erneut.

Auch erfahrene europäische Diplomaten, die sonst genau wissen, welcher EU-Staat bei welchem Thema welche Interessen verfolgt, kapitulieren: „Ich verstehe es auch nicht mehr“, sagt einer, der in Brüssel regelmäßig die Finanzministertreffen vorbereitet. Nicht nur Außenstehenden also ist das Hickhack um den nächsten Präsidenten der Euro-Gruppe ein Rätsel, wo doch die Amtszeit des jetzigen, des Luxemburger Premiers Jean-Claude Juncker, am 17. Juli endet. Eine der letzten Gelegenheiten, dies noch fristgerecht zu lösen, bietet sich beim Treffen der Euro-Minister am Montag in Brüssel.

Lange schien alles klar zu sein: Erst zwischen den Zeilen und später ganz offen hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zwar nicht den Wunsch geäußert, aber doch die „Bereitschaft“ erklärt, das Amt zu übernehmen – unter der Voraussetzung, dass es im Nebenberuf ausgeübt werden, er also weiter in Berlin bleiben könne. Die Wahlen in Frankreich durchkreuzten diese Pläne. Der neue Staatschef François Hollande will Deutschland den Posten, der angesichts der Diskussionen über einen künftigen EU-Finanzminister schon bald deutlich aufgewertet werden könnte, nicht kampflos überlassen. Am ersten Abend des EU-Gipfels Ende Juni schien Hollande sich durchgesetzt zu haben. Das Umfeld von Ratschef Herman Van Rompuy ließ verbreiten, das Personalpaket sei fertig und müsse nur noch am nächsten Morgen von den „Chefs“ abgenickt werden: Juncker hätte demnach noch ein paar Monate oder ein Jahr drangehängt, anschließend – so das Pariser Kalkül – hätte Frankreichs neuer Kassenwart Pierre Moscovici genug Erfahrung gesammelt, um den Euroklub zu führen. Der Deutsche Klaus Regling hätte nach der Rettungsschirm-Gesellschaft EFSF auch den viel mächtigeren ESM leiten können. Der Luxemburger Notenbankchef Yves Mersch wäre zum Mitglied des sechsköpfigen Rats der Europäischen Zentralbank ernannt worden – was wiederum der offiziell amtsmüde Juncker als Bedingung für eine Verlängerung seines Mandats gefordert hatte.

Doch nach halboffizieller Lesart blockierte Spaniens Premier Mariano Rajoy den Deal, weil Madrid dabei leer ausgegangen wäre. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) attestierte nach dem Gipfel kühl weiteren „Abstimmungsbedarf“. Seither wird unter der Ägide Van Rompuy intensiv verhandelt. Jene Lösung, die der „Spiegel“ am Wochenende verbreitete, wollte Regierungssprecher Steffen Seibert so nicht stehen lassen. Es sei „noch nichts entschieden“, und es gebe „keinen neuen Stand“, teilte er bezüglich der Meldung mit, die Euro-Gruppe solle erst von Schäuble und anschließend von Moscovici geführt werden.

Vor dem montäglichen Ministertreffen in Brüssel, in dessen Zentrum eigentlich Lageberichte der Troika zu Griechenland und Zypern, eine informelle Einigung über Größenordnung und Bedingungen des Hilfsprogramms für Spanien sowie die Diskussion über einen Fahrplan hin zu einer neuen europäischen Bankenaufsicht stehen, äußern sich EU-Diplomaten nun zumindest zuversichtlicher. Einer, der mit den Vorgesprächen vertraut ist, sagt, er stelle im Gegensatz zu anderen Treffen nun eine „höhere Entschlossenheit fest“. Das betrifft aber erst einmal nur die Berufung eines EZB-Ratsmitglieds, die auf der Tagesordnung steht. Aber selbst wenn Mersch nominiert und Juncker damit zum Weitermachen überredet würde, könnte es noch lange dauern, bis wieder alle sechs Posten im Führungszirkel der Notenbank besetzt sind.

Ein EU-Diplomat stellte in Aussicht, was nach dem 17. Juli ohne politische Einigung passierte. Dann würde der Finanzminister des Landes, das den rotierenden Ratsvorsitz innehat, auch in der Euro-Gruppe das Wort führen. Die erste Amtshandlung des zyprischen Finanzministers Vassos Shiarly könnte es dann sein, den offiziellen Beschluss über EU-Finanzhilfe an Zypern zu verkünden.

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