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Finanzpolitik: Gas geben bei der Schuldenbremse

Schwarz-Rot steht unter Zeitdruck. Die Grünen warnen vor einer Mogelpackung und die FDP glaubt nicht mehr an einen Erfolg.

Berlin - „Es wäre ein Scheitern des Anspruchs der großen Koalition.“ Sagt Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn. Und meint damit den Fall, dass die Föderalismuskommission unter Leitung von Günther Oettinger und Peter Struck am 5. Februar keinen Weg aus der um sich greifenden Staatsverschuldung weisen kann. Der FDP-Abgeordnete Ernst Burgbacher hat den Glauben an einen Erfolg der Reformrunde schon fast verloren. „Die Kommission hat umsonst getagt“, sagt er. Weder Kuhn noch Burgbacher, beide Mitglieder in der Bund-Länder-Runde, können erkennen, dass Union und SPD sich eine Woche vor dem Fälligkeitstermin einig sind, wie sie das Versprechen umsetzen sollen, allein die große Koalition könne das Problem lösen.

Burgbacher ist enttäuscht: „Der Einsetzungsauftrag wurde nicht erfüllt.“ Es werde allenfalls eine neue Schuldenbremse für den Bund geben, „alles andere aber ist weg“: keine Konsolidierungshilfe für die hochverschuldeten Bundesländer, kein „Frühwarnsystem“ gegen zu hohe Schulden, kein Kontrollgremium, auch keine begrenzte Steuerautonomie für die Länder.

Ob die Oppositionskritik die Verantwortlichen von Union und SPD noch einmal zum Jagen bringt, ist fraglich. Oettinger und Struck wollen zwar in den nächsten Tagen versuchen, doch noch eine Gesamtlösung zu zimmern. Aber die Zeit ist äußerst knapp. Und hatten der baden-württembergische Ministerpräsident und der SPD-Fraktionschef nicht schon im vorigen Sommer ein Kompromisspapier vorgelegt? Da tobte die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise noch nicht – jetzt aber könnte die Reform der Schuldenpolitik zu den Opfern dieser Krise gehören. Denn im Herbst sind die Karten durch die Luft gewirbelt worden. Und plötzlich läuft das Spiel ganz anders.

Vor allem in den Ländern. Dort sind jetzt auch einstige Musterknaben ganz still. Bayern hat ein ungeahntes Landesbankdesaster zu schultern, das gilt auch für Nordrhein-Westfalen, und in Baden-Württemberg schauten die Regierenden schon mutiger in die Zukunft. Hatten die starken Länder noch im vorigen Frühjahr durchaus genügend Finanzkraft, um sich gemeinsam mit dem Bund an einem Entlastungsprogramm für schwächere Länder zu beteiligen, so müssen sie nun hoffen, nicht noch mehr in den Schuldenstrudel gezogen zu werden. Ohne eine Konsolidierungshilfe wollen jedoch Bremen, das Saarland, Schleswig-Holstein, eventuell auch Berlin und Sachsen-Anhalt eine harte gesamtstaatliche Schuldengrenze nicht mitmachen. Sie sehen darin nur Nachteile. Käme sie doch, würden sie darauf setzen, bei Überschuldung vom Bund herausgehauen zu werden. Das weiß man in den stärkeren Ländern auch.

Zudem: Ohne die Hilfe würden die Schwachen im Bundesrat gegen eine allgemeinverbindliche Schuldengrenze im Grundgesetz stimmen – zwar könnte es dennoch für eine Zweidrittelmehrheit reichen, doch ist das verfassungsrechtlich riskant. Denn so würden der Bund und eine Ländermehrheit massiv in die Haushaltshoheit einiger Landtage eingreifen.

Daher wird immer wahrscheinlicher, dass zunächst nur eine Schuldenbremse für den Bund ins Grundgesetz kommt. Die künftige Neuverschuldung würde nach dem Plan der großen Koalition dann bei 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr gedeckelt – immerhin deutlich weniger als derzeit möglich ist. Diese Grenze wird der Bund aber in den nächsten Jahren nicht einhalten können. Daher soll die Schuldenbremse erst ab 2015 wirken. Kuhn hält das für eine Mogelpackung: Die Bremse müsse schon 2010 gelten, auch wenn dann wegen der Finanzkrise schon zum Einstieg Ausnahmeregelungen greifen müssten. „Wenn wir die Schuldenbremse aber nicht zu jedem Zeitpunkt einführen können, dann kann man sie nie einführen“, glaubt Kuhn.

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