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Finanzpolitik: Quickborn: Selbst ist die Bank

Eine pfiffige Idee, entsprungen aus einer Bürgerversammlung, zeigt, dass guter Rat billig sein kann: Die Kleinstadt Quickborn braucht Geld – seine Bürger geben Kredit.

Vor den Toren Hamburgs, im sogenannten „Speckgürtel“, lässt es sich gut leben. Zehntausende von Pendlern arbeiten in der Hansestadt und wohnen im Umland, das zunehmend Flächen für Gewerbebetriebe anbietet. Die Kleinstadt Quickborn im Kreis Pinneberg mit rund 20 000 Einwohnern bildet da keine Ausnahme. Doch Wirtschaftskrise und wegbrechende Steuereinnahmen gefährden die Prosperität des örtlichen Haushaltes: Plötzlich können die millionenschweren Bauvorhaben an Schulen und der Feuerwache nicht mehr zwischenfinanziert werden. Und just in dieser Situation zeigt eine pfiffige Idee, entsprungen aus einer Bürgerversammlung, dass guter Rat billig sein kann.

Seit einigen Tagen ist deshalb der Dornröschenschlaf des Ortes mit Autobahnanschluss zehn Kilometer nordwestlich von Hamburg vorbei. Nach und nach gehen Anfragen aus ganz Deutschland im Rathaus ein, möchten Kommunalpolitiker wissen, wie das scheinbar simple Geldbeschaffungsmodell von Quickborn funktioniert. Und bereitwillig geben Bürgermeister Thomas Köppl (CDU) und Kämmerin Meike Wölfel Auskunft. Statt sich teure kommunale Kassenkredite mit rund 4,5 Prozent Zinsen zu besorgen, hat Quickborn bei den eigenen Bürgern nachgefragt. Und es funktioniert. Binnen weniger Tage sind Bürgerkredite in Höhe von vier Millionen Euro zusammengekommen. Knapp 80 Einleger, nicht nur Ortsansässige, auch Menschen, die irgendwie eine Beziehung zu der Stadt haben, erklärten sich bereit, ein Jahr lang ein Darlehen bei dreiprozentigem Zins zu gewähren.

„Wir haben die Aktion jetzt beendet“, sagt Köppl, der telefonisch und per E-Mail 700 Interessenten registrierte und noch mehr Geld hätte akquirieren können. An der Spitze rangieren einer, der eine Million Euro, und ein weiterer, der einen Kredit in Höhe von 400 000 Euro zur Verfügung stellt. Mindestbetrag waren 5000 Euro, der Mittelwert liegt bei knapp 30 000 Euro. Der Verwaltungsaufwand ist minimal. Der Antrag ist auf einem DIN-A4-Blatt mit wenigen Zeilen zu stellen: Geliehene Summe, Kontonummer, Bankleitzahl, Datum, Unterschrift. Eine klassische Win-Win-Situation, denn auch für Termingeld mit dieser Laufzeit bekommt ein Kunde derzeit wohl nirgends bessere Zinskonditionen.

Die globalisierungskritische Organisation Attac jubelt, auch Marc Ziertmann vom schleswig-holsteinischen Städtetag jubelt: „Ein Paradebeispiel für kommunale Selbstverwaltung.“ Mit Spannung wird beobachtet, ob dieses bundesweit bislang einmalige Modell womöglich Schule macht. Der Bundesverband Deutscher Volks- und Raiffeisenbanken dagegen spricht von einem unerlaubten Geldgeschäft und fühlt sich ausgebremst. Die finanziellen Transaktionen von Quickborn werden jetzt seitens der Kommunalaufsicht, in diesem Falle das Innenministerium in Kiel, geprüft, und auch die Bankenaufsicht Bafin hat sich nach einem Hinweis durch die Deutsche Bank nun einer rechtlichen Bewertung des Vorganges angenommen.

Köppl betont noch einmal, dass er nicht vorhabe, ins kaufmännische Kreditgeschäft einzusteigen, und daher die Aktion auch zeitlich, in der Summe und in der Zahl der Gläubiger limitiert worden sei. Er sieht einen weiteren bürgernahen Vorteil: „Warum sollen wir die Zinsen den Banken geben. Auf diese Weise bleibt das Geld in der Stadt.“ Gleichzeitig mahnt er eine gesetzliche Änderung an: Kommunen müsse es auch erlaubt sein, untereinander Kreditgeschäfte in einem begrenzten Rahmen zu betreiben. 2010 steht Köppls Wiederwahl an – erste Sympathiepunkte sammelt der 43-Jährige bereits jetzt.

Dieter Hanisch[Hamburg]

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