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Steuerangelegenheit. Mit mehr Steuereinnahmen könnten die Kommunen viele marode öffentliche Einrichtungen – hier eine Schule in Darmstadt – sanieren.

© Uwe Anspach / p-a/dpa

Finanzpolitik: Renovierungsbedarf bei den Kommunen

Die schwarz-gelbe Koalition will die Kommunalfinanzen reformieren. Die Kommunen ringen mit dem Bund um die Neugestaltung der Gewerbesteuer – und um eigene Steuersätze.

Berlin - Rekorddefizite, drückende Soziallasten, und jetzt auch noch ein Winter, der richtig Geld kostet – die Leiden und Klagen der Kommunen nehmen kein Ende. Immerhin gibt es ein Lichtlein am Horizont, das sie ein bisschen mutig stimmt: Erstmals seit Beginn der Wirtschaftskrise steigen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer wieder, berichtet Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Städtetages. Ein Grund mehr für die Kommunen, an „ihrer“ Steuer festzuhalten, trotz ihres Nachteils der Konjunkturabhängigkeit. Verdienen Unternehmen wenig oder nichts, fallen die Einnahmen – auch wenn Pachten, Zinsen und Mieten unabhängig vom Ertrag einbezogen sind.

Den Unternehmen, der FDP und Teilen der Union gefällt das nicht. Die schwarz-gelbe Koalition will die Kommunalfinanzen reformieren. Eine Kommission tagt seit bald einem Jahr. Demnächst wird Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wohl einen Vorschlag machen. Zwar hat er mittlerweile zugesagt, dass die Gewerbesteuer bleibt. Aber ihre Reform bei einer Neuordnung der Kommunalfinanzen ist nicht vom Tisch.

Die Kommunen verlangen, dass die Steuerbasis erweitert wird: Nicht nur Industrie, Handel und Handwerk, sondern auch Dienstleister und Freiberufler sollen künftig zahlen. Das soll die Einnahmen erhöhen, auch wenn die jeweiligen Hebesätze dann wohl gesenkt würden (was für die bisherigen Zahler eine Entlastung wäre). Auf der anderen Seite steht das Verlangen, die ertragsunabhängigen Elemente abzuschaffen oder zu reduzieren, Schwarz-Gelb ist gegen die „Substanzbesteuerung“. Schäuble hat vorgeschlagen, die Steuerbasis der Städte und Gemeinden durch das Recht zu erweitern, Zu- und Abschläge auf den kommunalen Anteil an der Einkommensteuer (15 Prozent des Gesamtvolumens) zu erheben. Die individuelle Einkommensteuer könnte dann je nach Kommune um bis zu drei Prozent höher oder niedriger ausfallen. Und der Bund könnte den Kommunen die Milliardenkosten für die Grundsicherung im Alter abnehmen. Andererseits hat Schäuble gewarnt, dass durch veränderte Rechtsprechung in Deutschland und Europa das bisherige Gewerbesteuervolumen gefährdet ist. Es geht dabei um die Verrechnung von Verlustvorträgen der Unternehmen und die Anrechnung von Betriebsverlusten im Ausland. Würde der Finanzminister die bisherigen Einzelfallurteile allgemein anwenden, käme es wohl zu deutlichen Einnahmeverlusten bei vielen Kommunen. Immerhin summieren sich die Verlustvorträge hinsichtlich der Gewerbesteuer auf mehr als 500 Milliarden Euro.

Articus hält Schäubles dezenter Drohung entgegen, diese Risiken seien „geringer als vielfach dargestellt. Sie erscheinen durchaus beherrschbar“. Durch die Hinzurechnung von Mieten, Zinsen, Pachten und Leasingraten und ihre breitere Basis sei die Gewerbesteuer dabei weniger gefährdet als die vor allem dem Bund zufließende Körperschaftsteuer, sagte er dem Tagesspiegel. Sollte Schäuble tun, was er andeute, kämen auch auf den Bund Verluste zu. Insofern sieht man im Kreis der Großstadtbürgermeister die Sache eher gelassen. Articus empfiehlt Schäuble, das Instrumentarium zur Begrenzung der Verlustverrechnung besser zu nutzen.

Nach Ansicht der Wirtschaftsprofessorin Beate Jochimsen von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht gibt es zur Gewerbesteuer nur zwei konsequente Wege: ihre Abschaffung oder die Ausweitung auf alle Betriebe. In der modernen Wirtschaft mit ihrem hohen Anteil an Dienstleistungen sei die Beschränkung der Steuer auf das produzierende Gewerbe anachronistisch. Zum Recht für Zu- und Abschläge schlägt Jochimsen vor, es auf Probe einzuführen, um zu sehen, wie die Kommunen damit umgehen. „Was soll passieren, wenn man dieses Instrument einmal fünf Jahre lang testet?“ Verwerfungen erwartet sie nicht, weil die möglichen Unterschiede von Kommune zu Kommune zu gering wären, um große Wanderungsbewegungen auszulösen. Zudem hätten die Kommunen Erfahrung im Steuerwettbewerb. „Und was spricht dagegen, wenn ein Zuschlag mit bestimmten Vorhaben verbunden wird – zum Beispiel etwas mehr kommunale Einkommensteuer für die Renovierung der Schulen?“

Auch der Landkreistag begrüßt die Idee. Für dessen Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke wäre das das Sahnehäubchen auf der Kommunalsteuerreform. Auf einen Durchschnittsverdiener, hat er ausgerechnet, käme eine Zusatzbelastung von höchstens 90 Euro im Jahr zu. Er glaubt, viele Kommunen würden die Möglichkeit zur Erhöhung gar nicht maximal ausschöpfen. Eine Benachteiligung großerStädte und Begünstigung der Umlandgemeinden sieht er auch nicht; im Zweifelsfall lasse sich das über den kommunalen Finanzausgleich reparieren.

Bleibt eine Frage: Was macht die Bundesregierung mit dem Einkommensteuertarif, wenn Kommunen Zuschläge erheben? Eigentlich müsste sie die Steuer zuvor ein wenig senken – Schwarz-Gelb ist ja gegen Steuererhöhungen.

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