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Finanzpolitik: Steuerpläne aus der Versenkung

Die FDP will runter mit den Steuern. Die CDU bleibt skeptisch. Da taucht die Bierdeckelforderung wieder auf. Wie reagiert die Politik?

Von Robert Birnbaum

Bei der CSU haben sie sich lange viel darauf zugute gehalten, die schnellsten Steuersenker der Republik zu sein. Am Dienstag aber rät die Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt doch sehr zu Gelassenheit: "Ich plädiere für eine saubere, gute Vorbereitung und nicht für einen Schnellschuss." Auch der Fraktionsgeschäftsführer der Union, Peter Altmaier, hat es nicht eilig mit dem Steuersenken: "Wir werden vor der Sommerpause nicht zu Beschlüssen kommen", sagt der CDU-Mann - bis zum Herbst brauche es schon für ein "Gesamtkonzept". Das klänge vernünftig, wüsste man nicht, dass die beiden Koalitionäre bloß zu retten suchen, was kaum noch zu retten ist. Der Schnellschuss ist schließlich längst losgegangen - und zwar nach hinten.

Dass die Absprache zwischen Kanzlerin Angela Merkel und dem neuen FDP-Chef Philipp Rösler für eine Operation Steuersenkung 2013 zum Flop geworden ist, gestehen längst beide Seiten ein. Selbst Merkel hat am Montag im CDU-Präsidium eingeräumt, das Ding sei kommunikativ reichlich schiefgelaufen. Schuld daran sind irgendwie alle - vom übereifrigen Rösler, der seinen Triumph kaum verschlüsselt per Interview in die Welt hinausblies, über den Regierungssprecher, der die Abmachung bestätigte, bis hin zu den Länderfürsten der Union und dem Finanzminister, die vorsorglich Protest wegen leerer Kassen einlegten. Merkel und Rösler standen plötzlich als Taktierer da, die zur Unzeit teure Wahlgeschenke aushecken - und Rösler obendrein als Westerwelle light: Statt neuer FDP doch wieder nur die alte Steuersenkungsleier.

Taktischer Rückzug erscheint da dringend geboten. Erst, sagt Hasselfeldt jetzt, müsse klar sein, wie groß die Spielräume im Haushalt trotz Schuldenbremse ausfielen. Und dann könne man an eine Abflachung der kalten Progression gehen, jenes sinnwidrigen Effekts, der jede Lohnerhöhung zur Milliarden-Einnahmequelle des Finanzministers werden lässt. Gewaltige Entlastungssummen werden dabei nicht zustande kommen: Man rede nicht über 32, nicht über 19 oder über 14 Milliarden Euro, sagt Altmaier, sondern über eine "Anpassung im Bereich der kalten Progression".

Das klingt ganz vernünftig - stünde da nicht noch die Forderung im koalitionären Raum, vor der Sommerpause in Steuerfragen eine Entscheidung zu treffen. Ganz ausgeschlossen ist das nicht, auch wenn Hasselfeldt sagt, es liege bisher keine Einladung zu einer Spitzenrunde vor. Doch auch im Kanzleramt wird die Idee eines demonstrativen Treffens der Ober-Koalitionäre inzwischen etwas zurückhaltender behandelt. "Es gibt ein Gipfeltreffen, wenn wir etwas zu entscheiden haben", sagt einer, der sich auskennt. Eine Sprachregelung, die so ähnlich auch die FDP ausgibt: Ein Treffen vor dem Sommer sei wünschenswert, aber nur sinnvoll, wenn konkrete Ergebnisse zu besprechen seien - was derzeit aber bei der Union noch nicht absehbar sei.

Die Schuldzuweisung hat auch etwas mit dem liberalen Terminkalender zu tun. Am Wochenende trifft sich das FDP-Präsidium zur Klausur. Die war eigentlich vor Wochen verabredet worden, um die Neuaufstellung nach dem Sturz von Guido Westerwelle inhaltlich zu unterfüttern. Jetzt wird sie fast zwangsläufig zur Steuer-Klausur. Dies um so mehr, als Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im nächsten Jahr die Neuverschuldung unter 30 Milliarden Euro drücken will - statt der bisher angesetzten 31,5 Milliarden. Schon meldet sich der FDP-Steuerpapst Hermann Otto Solms zu Wort und mahnt Schäuble, Spielräume nicht für andere Projekte zu verschenken.

Und dann ist da noch der andere Steuerpapst. Bei der Union stößt Paul Kirchhofs Wiedervorlage insgeheim auf Stöhnen ("Der Zombie kehrt zurück") und öffentlich auf Skepsis.

Für die FDP geht der Finanzpolitiker Volker Wissing hinterlistig auf Distanz: Die Liberalen würden es sicher "konstruktiv begleiten", wenn die Union Kirchhofs Plan umsetzen wolle. Dass demnächst die Steuererklärung auf einem Bierdeckel Platz hat, wie es schon 2003 die Vision des CDU-Finanzexperten Friedrich Merz war, ist gleichwohl höchst unwahrscheinlich.

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