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Politik: Finnlands rebellische Schwestern

Unterbezahlte Pflegekräfte drohen mit einer Massenkündigung – die Regierung will sie zur Arbeit zwingen

Helsinki - Die finnische Regierung hat am Freitag ein Gesetz erlassen, das Pflegekräfte zur Arbeit zwingen soll. Denn 16 000 Krankenschwestern drohen mit einer Massenkündigung, falls sie mit ihren Lohnforderungen scheitern. Wer nicht zur Arbeit kommt, soll Strafe zahlen. „Eher gehen wir ins Gefängnis“, sagen etliche Krankenschwestern.

430 bis 650 Euro mehr im Monat verlangt die Pflegegewerkschaft Tehy für ihre Mitglieder in den nächsten zwei Jahren – und droht deshalb mit der Massenkündigung. Bei insgesamt nur 32 500 Krankenschwestern wiegt das schwer. Fast die Hälfte des Personals würde wegfallen, das Gesundheitswesen würde zusammenbrechen. Trotzdem zeigt sich die erst im März dieses Jahres neu gewählte Mitte-rechts-Regierungskoalition unter dem liberalen Ministerpräsidenten Matti Vanhanen wenig verhandlungsbereit: Sie lässt es auf einen offenen Konflikt ankommen – trotz der vollen finnischen Haushaltskasse und der breiten Unterstützung, die die Schwestern in der Bevölkerung genießen. Es sei berufsethisch verwerflich, dass Krankenpflegepersonal zu Massenkündigungen als Erpressungsmittel greife, argumentiert die Regierung. Das ginge ja bei Polizei und Feuerwehr auch nicht. Die finnischen Pflegegehälter liegen deutlich unter denen vergleichbarer Länder. Etwa im benachbarten Schweden und Norwegen sowie in Großbritannien sind die Grundgehälter wesentlich höher.

Per Gesetz will die Regierung Krankenschwestern und -pfleger, die in Akutbereichen arbeiten und kündigen, unter Bußgeldandrohung zurück zur Arbeit zwingen. „Wir zahlen nicht, sondern gehen dann lieber ins Gefängnis“, witzelte prompt so manche kampfeslustige Schwester bei den zahlreichen Protestzügen, die Tehy dieser Tage in der finnischen Hauptstadt Helsinki und andernorts veranstaltet. „Wir waren lange genug die lieben Mädchen“, sagt Soila Jänis-Koch, Schwester in der orthopädischen Abteilung am Universitätskrankenhaus von Helsinki. „Niemand von uns will Menschenleben gefährden, aber in Finnland hatten wir so viele normale Streiks und wurden dabei nie ernst genommen“, begründet sie ihr Vorgehen. „Wenn unsere Regierung es tatsächlich zur Massenkündigung kommen lässt und lieber woanders Steuern senkt, ist sie unverantwortlich, nicht wir." André Anwar

André Anwar

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